Auf Schusters Rappen durch die Kvarner. Die Kvarner Bucht im Norden von Kroatien lädt im Herbst zu besonders an- und aussichtsreichen Wanderungen im Učka Gebirge und an der Opatija Riviera ein.
Von Karsten-Thilo Raab
Von Luchs und Bär, die sich hier in der Gegend gelegentlich rumtreiben sollen, fehlt jede Spur. Wohl auch, weil das Pinselohr und Meister Petz im Normalfall den Kontakt mit den Menschen scheuen. Und Letztere sind zumeist lautstark schnaufend von dem auf knapp 920 Metern gelegenen Infopoint des Učka Naturparks am Gebirgspass Poklon unterwegs hinauf zum Vojak. Steil und lang ist der mehr als anderthalbstündige Anstieg in diesem Teil Kroatiens, bei dem fast 600 Höhenmeter zu bewältigen sind. Eine schweißtreibende Angelegenheit. Denn der mit einem roten Kreis mit weißem Punkt gut ausgeschilderte, schmale Wanderpfad führt im wahrsten Sinne des Wortes über Stock und Stein durch schattige Wälder.
Trittsicherheit und gutes Schuhwerk sind fast schon zwingend notwendig. Immer wieder geht es über „Wurzeltreppen“ oder unförmige Felsen und Gesteinsbrocken. Mit jedem Höhenmeter scheint mehr Schweiß aus jeder Pore des Körpers zu strömen. Wichtig ist hier, seinen eigenen Geh-Rhythmus zu finden.
Immer wieder öffnet sich der Blick auf die Kvarner Bucht, auf die Adria, auf Optaija und Rijeka, auf die Inseln Crs und Krk sowie auf Gorski kotar. Willkommene Gelegenheiten, um den Marsch für einen Moment zu unterbrechen, das famose Panorama zu genießen und einfach mal durch zu schnaufen.
Vorbei an einer Radarstation ist schließlich mit dem auf 1.401 Meter über dem Meeresspiegel gelegenen Vojak der höchste Gipfel im Učka Gebirge erreicht. Der runde Turm aus dem Jahre 1911 lädt dazu ein, über die ausladende Wendeltreppe weitere sechs Metern nach oben zu stiefeln. Der Aussichtsturm wurde zur Zeit der K.u.K. Monarchie vom Österreichischen Touristen Club errichtet. Damals war die Kvarner noch Teil von Österreich-Ungarn.
Höhepunkt des lohnenden Aufstiegs ist der 360-Grad-Panorama-Blick über Istrien und die Kvarner Bucht. Schnell wird auch klar, dass es dem von der Plomin-Bucht in Richtung Norden ansteigendem Bergzug zu verdanken ist, dass an der Opatija Riviera auch im Herbst und Winter milde Temperaturen vorherrschen. Dies wird durch die Tatsache unterstrichen, dass in diesem Teil Kroatiens eine subtropische Pflanzenpracht mit 1.300 Arten gedeiht. Der Bogen spannt sich von Agaven, dem Feigenkaktus und Oleander über Tamarisken und Rizinus bis hin zu Bougainvillea, Eukalyptus und Akazien sowie 40 Arten von Orchideen. Endemisch ist hier die rosafarbene Učka-Glockenblume.
Gerade im Herbst zeigt sich der Učka Naturpark besonders farbenfroh. Das funkelnde Blau der Adria geht im mittleren Teil des Bergzugs in rot-bunte Buchen und Kastanien über, während weiter oben immergrüne Nadelhölzer wie die Schwarzkiefer die natürliche Szenerie dominieren.
Wer es weniger steil und anspruchsvoll mag, sollte von Poklon aus dem frei zugänglichen Kunstwanderweg Stražica Sapacica folgen. Der Rundkurs führt auf einer Länge von 6,5 Kilometer vorbei an 16 verschiedenen Kunstwerken und Installationen. Künstler Boris Pecigoš gestaltete vorwiegend Steine und Bäume künstlerisch, um so der Verbindung zwischen Mensch und Natur Ausdruck zu verleihen. Der Bogen spannt sich von einem Steinkreis über den aus zwei separaten Brocken bestehenden, herzförmigen Liebesstein und verschiedenen bemalten Gesteinsformationen bis hin zu einen rot angemalten, abgestorbenen Baum als Mahnmal für die menschliche Zerstörung.
Ganz anders, aber nicht minder attraktiv und aussichtsreich ist die Waldpromenade „Carmen Sylva“ die oberhalb von Opatija an der gleichnamigen Riviera verläuft. Exakt 141 Höhemeter sind auf dem 5,4 Kilometer langen Pfad zu absolvieren. Unter dichten Baumkronen öffnet sich immer wieder der Blick auf die Kvarner Bucht und die prachtvollen Villen des mondänen Seebads.
Bei der Namensgebung stand die rumänische Königin Elisabeth Pate. Die Blaublütige, gebürtig aus Neuwied, machte sich zu Lebzeiten unter dem Pseudonym „Carmen Sylva“ als Malerin und Dichterin einen Namen. Spaziergänge auf der heutigen Waldpromenade sollen die Königin für ihre Verse inspiriert haben. Hier soll sie bei ihren Aufenthalten in Opatija immer wieder auf einer aus Stein gemeißelten Sitzbank Platz genommen haben.
Mit Vela Fortica und Mala Fortica finden sich zwei Aussichtpunkte entlang des Weges. In dem dichten Lorbeerwald duckt sich zudem die Wasserquelle Vrutki, an der die Frauen des Städtchens dereinst ihre Wäsche wuschen.
Perfekt kombinieren lässt sich der Gang über die Waldpromenade „Carmen Sylva“ mit dem Lungomare. Die zwölf Kilometer lange Küstenpromenade, benannt nach Kaiser Franz Josef, verbindet die Hafenstädtchen und Seebäder Volosko, Opatija, Ičići, Ilka und Lovran miteinander. Wobei insbesondere Opatija bis heute den Charme aus der K.u.K.-Zeit, als dieser Teil Kroatiens zur österreichisch-ungarischen Monarchie gehörte, bewahren konnte. Staatliche Villen und Hotels aus jener Zeit, als das Seebad an der Adria unter dem Namen „Abbazia“ die gekrönten Häupter, Adelige, Künstler sowie die Schönen und Reichen aus ganze Europa in seinen Bann zog, dominieren das Stadtbild.
In Opatija und auf dem Lungomare tummelten sich dereinst illustre Persönlichkeiten wie der deutsche Kaiser Wilhelm II., die österreichische Kaiserin Maria Anna oder Kaiser Franz-Josef mit seiner Sisi hier zu Gast. Ob die gekrönten Häupter tatsächlich Zeit und Muße fanden, über die Küstenpromenade zu flanieren, ist nicht überliefert. Fest steht aber, dass sich der eine oder andere bis heute beim Gang über die Franz-Josef-Promenade durchaus königlich fühlt. Was nicht nur daran liegt, dass hier im Schnitt 2.500 Stunden im Jahr die Sonne scheint. Mehr als genug, um auch im Herbst ein paar wohlig wärmende Strahlen abzubekommen.
Informationen: www.kvarner.hr und www.visitopatija.com