Auf einer Biber- und Bären-Safari in der kanadischen Provinz Québec lassen sich Meister Petz und der kleine Dammbauer hautnah beobachten.
Die Stärkung gibt es vorher. Über dem Feuer am Ufer des Sacacomie Sees gart das Barnac, eine Art indianisches Stockbrot aus Maismehl, das mit etwas Ahornsirup verfeinert wird. Fünf, vielleicht zehn Minuten dauert es, bis das Barnac die richtige Konsistenz hat. Fünf, zehn Minuten, in denen alle eine gewisse Nervosität und kindliche Aufgeregtheit an den Tag legen. Nein, nicht wegen des kleinen Schmauses. Vielmehr lassen die Erwartungen und die Vorfreude alle ein wenig unruhig hin und her wippen, ja, fast schon ein bisschen wie Rennpferde vor dem Start.
Dann tritt Marion in die Mitte. Ein hoch aufgeschossener, hagerer Mann, dessen graues Haar weitgehend unter der tief ins Gesicht gezogenen Baseballkappe verstaut ist. Er ist Trapper. Auf dem rund 500 Quadratkilometer großen Areal rund um den Sacacomie Lake in kanadischen Provinz Québec führt er zweimal täglich Besucher aus aller Herren Länder bis auf wenige Meter an Biber und Bär heran und verhilft ihnen so zu einem Naturerlebnis der ganz besonderen Art.
„Wir sind nicht im Zoo. Ich kann nicht garantieren, dass wir Tiere sehen“, macht der Naturbursche deutlich. Mit ausrangierten Militär-Jeeps geht es für einige Kilometer über Stock und Stein, ehe der Mini-Convoy an einer Lichtung zum Halt kommt. Mit einer Presslufthupe in der Hand gibt Marion eine kurze Einführung und letzte Regieanweisungen. Er ist eher der schweigsame Typ, Modell „Mann aus den Bergen“ mit Holzfällerhemd.
800.000 Bären seien in Nordamerika heimisch, darunter allein 17.000 Schwarzbären in der Provinz Québec, weiß er zu berichten. Nein, Probleme mit den Bären gäbe es eigentlich nie. Sie meiden den Menschen.
„Gleichwohl mussten immer wieder Menschen in Québec nach einer Begegnung mit den Bären ihr Leben lassen.“ Mit diesen Worten zeigt Marion auf die orangefarbene Presslufthupe: „If a bear attacks you, you have to impress him“, versichert der Trapper, dass die Bären vor dem ohrenbetäubenden Krach dieses, von Fußballfans millionenfach in den Stadien dieser Welt ausprobierten Utensils, zurückweichen.
Statt eines kleinen Funktionstests heißt es von nun an: „Absolute Ruhe!“ Auf leisen Sohlen schleicht der Tross wie eine Entenfamilie in einer Reihe hinter Marion her. Über einen Trampelpfad führt der Weg zu einem Holzverschlag. Der auf Stelzen gestellte und spartanisch eingerichtete Bau verfügt über ein paar einfache Bänke und gitterbespannte Fenster.
Leichte Beute sind die Schwarzbären dann auch für die Scharr der Naturliebhaber, die den Riesen des Waldes in Ruhe beobachten und mit der Kamera oder dem Smartphone auf den Digitalchip bannen können. Alles, was sie dazu benötigen, sind Zeit und Geduld.
Soweit zur Theorie. Meister Petz hat an diesem Nachmittag offensichtlich keinen süßen Zahn. Oder er hat heute schon zu viel genascht und ist unpässlich. Auf jeden Fall lässt er sich nicht blicken. In völliger Stille, noch dazu fast bewegungslos im Wald auszuharren, hat auch seinen Reiz. Als Trost bleiben Erinnerungsfotos von Bären-Warnschildern und warme Worte von Marion: „90 Prozent der Gäste bekommen einen Schwarzbären aus nächster Nähe zu sehen“, beteuert der Trapper, der mehr Erfolg auf der Suche nach Bibern verspricht.
Nach weiteren zehn Minuten Fahrzeit im Jeep kommt eine mächtige Staustufe in den Blick. Rund 30 Meter Staudamm hat Freund Biber hier binnen knapp 14 Tagen errichtet. Ein von Wassermassen umspültes Schild zeigt, dass hier vor kurzem noch eine Straße war. Die Biberfamilie stört dies wenig. Auf einem moosbedeckten Felsen inmitten des aufgestauten Sees dösen Herr und Frau Biber genüsslich in der Sonne, lassen sich auch vom Klicken und Surren der Fotoapparate nicht erschrecken.
„Allein in Québec leben rund eine Million Biber“, weiß Marion, dass das Wappentier, das die kanadische 5-Cent-Münze ziert, nicht nur Freunde im Lande besitzt. Wohl auch, weil die possierlichen Nager immer wieder ganze Straßenzüge verschwinden lassen oder dafür sorgen, dass Bahngleise überfluten. Allein das staatliche Bahnunternehmen Via Rail Canada muss jährlich für jeden Bahnkilometer 1.000 kanadische Dollar aufbringen, um Biberschäden zu beseitigen.
Kaum verwunderlich daher, dass die Biber vielerorts gejagt werden. Nicht so in Sacacomie. In dem 500 Quadratkilometer großen Areal rund um den gleichnamigen See steht der Biber unter Naturschutz. Eine Tatsache, die den Castor canadensis, wie der Biber in der Fachsprache heißt, weidlich ausnutzt – sehr zur Freude aller, die zuvor vom Bären an der Nase herum geführt wurden.
Denn im Hotel Sacacomie prahlt anschließend eine weitere Gruppe voller Stolz, einen Schwarzbären beim Naschen beobachtet zu haben. Und schon ist man nicht mehr sicher, ob Neid wirklich für einen ein Fremdwort sein sollte. Doch die Frag estellt sich nicht wirklich. Denn beim nächsten Versuch am Tag darauf, ist Meister Petz nicht unpässlich und lässt sich aus nächster Nähe beim Naschen beobachten. Einfach bärenstark.
Weitere Informationen zu Biber- und Bärensafaris rund um den Sacocomie Lake unter www.sacacomie.com
Bilder: Karsten-Thilo Raab