Spazierengehen oder Strecke machen? Abschalten oder erleben? Durch die Heide oder am Strand entlang? Sylt ist landschaftliche Vielfalt am Meer und als solche auch zu Fuß zu entdecken.
Kliff. Dort, wo Sylt im Osten aufhört, verlieren sich die Wege. Von drei Seiten umgeben vom Meer, ist dies vielleicht die Essenz der Insel. Offenbart ihre Ursprünglichkeit und Vielfalt – den wehenden Sand, die sanften Hügel der Heide und verschwiegene Wäldchen, natürlich das Meer und das Watt. Dazu die Brombeeren am Busch, satt und sommersüß. Der Sylter Osten ist nie laut, nie auf Auftritt getrimmt, sondern ist Understatement; ein Fest für die Sinne allemal. Von der Heide führt der Weg ans Watt und westwärts unters Morsum Kliff, einem kleinen Naturwunder: Ewig nagen die Wellen an der Erdgeschichte und haben eine Steilküste freigelegt, die mit viel Fantasie an eine Burgmauer erinnert. Mit Zinnen modelliert von Wind und Wetter, mit Höhlen, in denen Vögel hausen. Und diese Farben: alles erdenklich Erdfarbene von Weiß bis dunklem Rost. Wer möchte, biegt danach ab und zurück auf den Osten oder wer noch kann, geht weiter bis nach Morsum oder Keitum.
Strand. Rund vierzig Kilometer Sandstrand auf der Westseite lassen ordentlich Strecke machen. Zumeist in der Einsamkeit, reduziert auf Wasser, Wind und Wellen. Zwischen Nordsee und Dünen tragen die Schritte irgendwann wie von allein. Unterwegs von irgendwo nach nirgendwo ist Zeit für Muße: Woher stammt dieses Stück Holz und welchen Weg hat es hinter sich? Muschelschalen und Schneckenhaus in vielerlei Form und Farbe. Mächtig laufen die Wellen auf den Sand, zischend weichen sie zurück im ewigen Spiel der Elemente. Und es ist Zeit zu fühlen; wie der Wind die Haare zaust, das Salz auf den Lippen prickelt und der Sand das Gesicht peelt. Sehnsucht kommt auf, nach der Geborgenheit eines gastlichen Hauses am Ende der Wanderung. Und Fernweh beim Blick über die endlose Weite des Meeres und an Orten am Strand, die Samoa, Sansibar oder Ostindienfahrer-Huk heißen.
Heide. Der Abend senkt sich über die Braderuper Heide. Am Horizont stehen Ebereschen, schief und verbogen vom Wind, dahinter schimmert das Wattenmeer. Es geht sich leicht auf diesem Pfad hinunter ans Wasser. Rechts und links blüht die Heide herbstlich violett, die abendliche Feuchte verstärkt das erdig-würzige Aroma in der Nase, aus der Ferne sind die sehnsuchtsvollen Rufe der Gänse zu hören. Schritt für Schritt verstärkt sich das Gefühl wohliger Geborgenheit, das langsam in unheimliches Staunen übergeht. Einmal im Monat geht es mit der Naturschutzgemeinschaft Sylt „lyrisch und sagenhaft“ durch das Naturschutzgebiet Braderuper Heide. Die Sagenwanderung mit Geschichten von gestrandeten Geisterschiffe und Gedanken und Gedichte rund um die Heide führt über malerische Wanderwege quer durch die sanft hügelige Landschaft – inklusive Abstecher ins Reich der Fantasie.
Watt. Wie zwischen Watt und Weltraum fühlt man sich während dieser großen Wanderung auf dem Meeresboden. Nationalpark-Wattführer Jan Krüger nimmt seine Gäste mit auf die ganz große Tour und die Betonung liegt an dieser Stelle auf Watt-WANDERUNG. Gut drei Stunden zwischen Hörnum und Höhe Seehundseck, gut drei Stunden weit weg sein vom Rest der Welt. Natürlich gibt es Einblicke in das Kuriositätenkabinett des Wattenmeeres, aber das Erlebnis, draußen unterwegs zu sein und ordentlich Strecke zu machen, ist ebenso wichtig wie Erlebnisfaktor. Bis zu einem Kilometer führt er die Gruppe von dem Strand fort und somit wirklich mittenrein ins UNESCO-Weltnaturerbe. Das Wasser zieht sich mit der Ebbe zurück und immer mehr Meeresboden fällt trocken. Jan zeigt den Gästen Muschelbänke, geht mit ihnen über Sandbänke und man lernt, dass hier draußen die Veränderung die einzige Konstante ist. Und wenn die Schritte durch ein spiegelglattes, kaum sohlentiefes Wasser führen, dann ist man wirklich irgendwo zwischen Watt und Weltraum.
Dünen. Wo fangen sie an und wo hören sie auf? Dünen, diese fremdartigen Sandberge, sind Sinnbild der Küste. Sie entsteigen dem Meer, werden vom Wind aufgebaut und in Bewegung gesetzt. Hält der Mensch sie nicht auf, fallen sie auf der anderen Seite wieder ins Wasser. Auf Sylt ist das an manchen Stellen so: Im Listland sind Wanderdünen unterwegs. Wer genau hinhört nimmt eventuell feines Prasseln wahr. Leise knistert es im Wind. Dünen sind, auch wegen ihrer Mobilität, unbegreiflich. Für den Naturschutz sind sie sehr wertvoll und auf Sylt haben sich letzte, große Dünenflächen erhalten, echte Wanderdünen inklusive. Dünen dürfen nur auf den ausgewiesenen Wegen betreten oder gequert werden – zum Beispiel die Durchgänge zum Strand. Oder man schließt sich einer der Führungen des Erlebniszentrum Naturgewalten Sylt in List an – auch diese Fachleute dürfen nur mit Sondergenehmigung zu einer Wanderdüne. Aber dabei nehmen sie Gäste, nach Anmeldung, mit.
Verlaufen kann man sich auf Sylt zwar kaum, trotzdem lassen sich Wanderungen und Spaziergänge am besten mit den Streckentipps planen. Auf www.sylt.de/wandern findet man die schönsten Wanderungen – detailliert beschrieben und für jeden Motivations- und Konditionsgrad geeignet.