Sylter Farbenlehre mit Aussicht

Urs Huebscher Von Urs Huebscher
4 Min. Lesezeit

Auf Sylt erheben sich an Ost- und Westküste vier markante Kliffe. In ihnen spiegeln sich Millionen Jahre Erdgeschichte – und manchmal ebenso dramatisch wie schön die untergehende Abendsonne.

Die vielleicht spektakulärsten Farbenspiele auf Sylt warten dort, wo Wasser, Wind und Land hart aufeinanderprallen: an den Steilkanten der Kliffe, die ihre charakteristischen Farben schon im Namen tragen. Das Rote Kliff zwischen Kampen und Wenningstedt, das Grüne Kliff in Keitum, das Weiße Kliff in Braderup und das Morsum-Kliff im östlichsten Inseldorf sind nicht nur eine farbliche Augenweide. Sie eröffnen Ausblicke, die bis weit über Nordsee und Wattenmeer oder bis zum dänischen und deutschen Festland reichen. Und wem hat man diese Aussichten zu verdanken? Der Eiszeit. Ihre Gletscher bescherten der Insel ihre Steilküsten; Wind und Brandung übernahmen den Rest.

Zwischen Munkmarsch und Braderup befindet sich das Weiße Kliff, das seinen Namen vom weißen Kaolinsand erhält. Und auch, wenn man von oben die perfekte Aussicht auf die Keitumer Bucht bis nach List und hinüber zu Dänemarks Küste hat – gerade von unten fasziniert das Kliff mit wunderbaren Details. Denn der Sand besteht aus winzigen Quarzkristallen, die den augenscheinlich weißen Sand in verschiedensten Farben glitzern lassen. Keitum mit seinem teils grasbewachsenen Kliff wiederum setzt auf eine andere Farbe. Alte Bäume, Kapitänshäuser und prächtige Blumengärten prägen das sprichwörtlich grüne Herz der Insel, dessen bis zu zwölf Meter hohe Steilküste ebenfalls wunderbare Aussichten garantiert.

Das Rote Kliff zwischen Kampen und Wenningstedt ist die höchste und längste Steilküste an der deutschen Nordsee. Das bis zu 30 Meter hohe Kliff erstreckt sich über rund vier Kilometern und galt den Seefahrern über Jahrhunderte als Orientierung. Wer von unten hinaufschaut, erfährt das ungewöhnliche Farbenspiel in seiner vollen Schönheit. Vor allem im sanften Licht der untergehenden Sonne beginnt die Erde unter dem Strandhafer tiefrot zu glühen. Der faszinierende Anblick hat einen profanen Grund: Das Kliff rostet. Oder anders: Es sind die eisenhaltigen Bestandteile des Lehms, die dem Kliff Farbe und Namen verleihen. Gute Aussichten finden sich aber auch in der anderen Blickrichtung: Wer seinen Weg hierher findet, wird mit einem atemberaubenden Blick auf die Brandung belohnt.

Die vierte Sylter Steilküste schließlich bricht mit der offiziellen Namensgebung: Wer am Parkplatz Nösse in Morsum loswandert, erreicht über einen Holzpfad das Morsum-Kliff, das nordöstlich der gleichnamigen Ortschaft 21 Meter tief abfällt. Als eines der ersten Gebiete wurde es 1923 unter Naturschutz gestellt und zählt heute zu den bedeutendsten Geotopen Deutschlands. Hier ist es tatsächlich nicht leicht, sich für einen Farbton zu entscheiden, denn an der Abbruchkante liegen gleich mehrere Gesteinsschichten nebeneinander. Auf schwarzgräulichen Glimmerton folgen braun gefärbter Sand, rötlicher Limonitsandstein und weißer Quarzsand. Viele nennen das Morsum-Kliff daher auch das Bunte Kliff. Umgeben von blühender Heide, bedeckt von zartem Grün, dem blauen Meer und dem hellen Sand ganz nah, ergibt sich so ein weiteres treffliches Beispiel für die Sylter Farbenlehre. 

Am bundesweiten „Tag des Geotops“ am 18. September werden in ganz Deutschland Exkursionen, Führungen und Präsentationen zu geowissenschaftlichen Themen angeboten. Exkursionsziele auf Sylt sind das Morsum-Kliff und das Rote Kliff. Dr. Roland Klockenhoff von der Naturschutzgemeinschaft Sylt erläutert die Besonderheiten des Morsum-Kliffs auf einer zweistündigen Tour. Start ist um 11 Uhr am Parkplatz Morsum-Kliff. Am Roten Kliff führt der Geologe Dr. Ekkehard Klatt durch drei Millionen Jahre Erdgeschichte. Die Wanderung dauert rund drei Stunden und startet um 11 Uhr am Strandübergang Berthin-Bleeg-Straße in Wenningstedt. 

Einen Überblick über die ganzjährig stattfindenden geologischen Führungen gibt es auf www.sylt.de

Fotos: Copyright Finn Anjes Edling l Sylt Marketing

GETAGGT:
Teile diesen Artikel
Folgen:
Urs Huebscher ist seit vielen Jahren Chefredaktor und Head of des PRESTIGE Travel Magazin. Er reist seit mehr als zwanzig Jahren durch die ganze Welt und hat fast alle Ecken dieser Welt schon gesehen. Seine Reportagen sind in den Print-Ausgaben des PRESTIGE Travel und im Luxus-Magazin PRESTIGE sowie auf deren Online-Seiten zu lesen. Weiter ist er Mitglied der Vereinigung Swiss Travel Communicators, dem führenden Schweizer Netzwerk für Reisejournalismus.