„Architektur beginnt, wenn zwei Backsteine sorgfältig zusammengesetzt werden“, davon war der deutsche Architekt Ludwig Mies van der Rohe (1886 – 1969) überzeugt. Seit Jahrtausenden errichten Menschen Gebäude, vorrangig, um darin Schutz zu finden, sich zurückzuziehen, oder auch, um ihren Stand nach außen zu repräsentieren. In Deutschland werden einmal jährlich die neusten architektonischen Bauwerke beim „Tag der Architektur“ interessierten Besuchern geöffnet. Am 25. und 26. Juni ist es wieder so weit. Doch wer die Gegenwart verstehen will, der sollte die Vergangenheit nicht außer Acht lassen. Wir stellen sechs besondere Highlights zum Tag der Architektur vor – weltweit und aus mehreren Jahrhunderten.
St. Pete Clearwater: Moderne Verbindung zur VergangenheitDie Schrift auf dem Eingangsschild zum Museum of the Arts and Crafts Movement könnte zu einem Saloon gehören: Sie ist serifenbetont und fett gesetzt. Sie erinnert an die Vergangenheit, der in dem noch nicht einmal einem Jahr alten Gebäude mit Ausstellungsstücken von beispielsweise Frank Lloyd Wright oder Louis Sullivan Respekt gezollt wird. Doch diese Schrift ist auch das Einzige, was äußerlich sichtbar „unmodern“ ist. Der kubische Bau, der im Eingangsbereich wie von einem schwebenden Ei durchbrochen wird, ist sehr klar in seiner Formensprache. Der Gründer des Museums, Rudy Ciccarello, hatte das Büro Alfonso Architects mit der Gestaltung des knapp 13.000 Quadratmeter großen Gebäudes beauftragt. Es erstreckt sich über fünf Etagen, wobei sich im Innern das auffällige Treppenhaus wie eine große, glatte Skulptur nach oben schraubt. Die Architektur stellt eine moderne Verbindung zur Vergangenheit her. Sie gibt ihr Platz, sich in einem neuen, helleren Licht zu präsentieren. Köln: Luxushotel in einem ikonischen Architekturdenkmal
Im Jahr 1840 wurde der Kölner Wasserturm im Rahmen der damaligen Industrialisierung fertiggestellt. Bis 1930 versorgte das 35 Meter hohe Bauwerk die Stadt mit Frischwasser, mittlerweile beherbergen die ikonischen Gemäuer mit dem Wasserturm Hotel Cologne, Curio Collection by Hilton, ein neues Luxushotel. Bereits die Lobby setzt das historische Gebäude eindrucksvoll in Szene, so werden Gäste von einem elf Meter hohen Raum überrascht. Auch in den 88 Zimmern und Suiten führt sich die Kombination aus zeitgemäßer Eleganz, geometrischen Mustern und der einzigartigen Geschichte des Wasserturms fort. Ein weiteres Highlight abseits der architektonischen Fusion aus modernem Wohnen und künstlerischen Designelementen wartet in 35 Metern Höhe auf die Gäste: Die Rooftop-Bar. Die Bar Botanik gilt als neuer Hotspot für Cocktailliebhaber und soll die innovative Barkultur Kölns repräsentieren. Scottsdale: Wo Architektur Gegensätze harmonisch versöhnt
Dieser Ort sei „wie der Blick über die Kante der Welt“. Auch aus diesem Grund hatte sich der Architekt Frank Lloyd Wright (1867-1959) in diesen Ort verliebt: 1937 war Taliesin West fertiggestellt, heute gehört es zum UNESCO Weltkulturerbe. Das Wohn- und Atelierhaus sollte einen nahtlosen Übergang von Innen und Außen schaffen, die Natur nach innen holen. Und so orientiert sich auch das Bauwerk an der Wüste und an den McDowell Mountains, an deren Fuß es steht. Es ist ein Spiel von Licht und Schatten, von ockerfarbenem, grob behandelten Steinen und spiegelglatten Wasserflächen – einem in der Wüste kostbarsten Gut. Taliesin West vereint Gegensätze und bietet dem Besucher immer wieder neue Perspektiven auf den Lebensraum Wüste. Nicht nur deswegen ist das einzigartige Bauwerk von Frank Lloyd Wright eines der beliebtesten Ausflugsziele in Scottsdale, das nicht nur Architekturfans nach wie vor in den Bann zieht. Long Island: Wo einst Gatsby feierte
„Es war die Imitation eines Rathauses in der Normandie, mit einem Turm an der Seite (…) und einem Swimmingpool aus Marmor.“ So beschreibt F. Scott Fitzgerald das Gebäude, in dem der „Große Gatsby“ in seinem Erfolgsroman lebt. Das Vorbild dazu hatte er einst auf Long Island vor den Toren New Yorks gefunden. Es war der Beach Tower, der 1917/1918 für Ava Belmont gebaut wurde. Ava Belmont war die Ex-Frau von William Kissam Vanderbilt und die Witwe von Oliver Belmont, und dementsprechend war ein kleines Schloss nicht nur eine bauliche Spielerei, die dem Historismus Ehre erwies, sondern vor allem auch ein Repräsentationsobjekt, mit dem der alte Geldadel Amerikas seinen gesellschaftlichen Stand in Stein gemeißelt sehen wollte. Leider ist von dem Gebäude nach seiner Zerstörung 1945 nicht viel übrig geblieben, es gehört zu den Lost Places, aber wer heute nach Long Island reist, der kann viele ähnliche Anwesen besuchen, wie beispielsweise das Vanderbilt Museum oder Oheka Castle. Dort kann man ohne Umschweife in den exquisiten Lifestyle der Upper-Class eintauchen und nachspüren, wie Bauten zur Darstellung des gesellschaftlichen Stands dienten und nach wie vor dienen. Island: Wo sich das Wetter im Konzerthaus spiegelt
Dieses Gebäude vereint alles, wofür Island sinnbildlich steht: Feuer und Eis, Erde und Luft. Die Fassade des Island’s Harpa ist aus vielen einzelnen Glasteilen wabenartig zusammengesetzt, so dass das Gebäude direkt am Hafen von Reykjavik nicht nur die unterschiedlichen, sehr schnell wechselnden Witterungsbedingungen widerspielgelt, sondern auch das Element, an dem es gebaut ist – das Wasser. 2008 wurde das Bauwerk fertiggestellt, in dem das Symphonieorchester Island zu Hause ist. 2013 wurde es mit dem renommierten Mies van der Rohe-Preis ausgezeichnet. Olaf Eliasson hat die Glasfassade gemeinsam mit Henning Larsen gestaltet. Heute ist das Gebäude an der Waterfront zu einem markanten Erkennungszeichen des neuen Islands geworden, das in etwa drei Stunden mit der isländischen Fluggesellschaft Play zu erreichen ist. Auch, wer auf dem Weg in die USA mit der Airline ist, kann im Rahmen eines Zwischenstopps das markante Bauwerk entdecken. Arizona: Auf den Spuren der weißen Taube der Wüste
Eines der schönsten und ältesten Bauwerke in Arizona steht am Rande der Wüste, 16 Kilometer südlich von Tuscon: San Xavier Del Bac, die weiße Taube der Wüste. Der Missionar Eusebio Francisco Kino errichtete um 1700 eine Missionarsstation im Land der Tohono O’Odham-Indianer. Apachen zerstörten das Gebäude 1775 bei einem Angriff. Doch danach wurde die Station weitaus schöner und größer wieder erbaut. Die heutige Kirche stammt aus dem Jahr 1783. Sie ist bis heute steinernes Zeugnis der katholisch-spanischen Kirchenkultur nahe der Grenze Mexikos. Wer heute durch die kühlen Räume der San Xavier Del Bac geht, kommt nicht umhin die Kunst der Erbauer zu bewundern.