Festlicher Lichterglanz im Erzgebirge, in Dresden und der Oberlausitz
Die achteckige Bergkirche in Seiffen ist das Wahrzeichen des Erzgebirges. Das nach dem Vorbild der Dresdner Frauenkirche gebaute und 1779 geweihte Kirchlein wird in der dunklen Jahreszeit am Turm und in den Fenstern festlich beleuchtet. Dieses Motiv ist auf vielen Bildern präsent und steht für eine gemütliche Weihnachtszeit, in der die tiefe Sehnsucht der Menschen nach Licht in besonderer Weise zum Tragen kommt. Sie ist auch die am meisten in Holz dargestellte Kirche der Welt.
Die Adventszeit ist wohl nirgendwo so stimmungsvoll wie in Seiffen. Die Luft ist erfüllt von weihnachtlichen Düften: Glühwein, Räucherkerzen und gegrillte Bratwurst. Glitzernde Eiszapfen hängen von den Dächern. Die erleuchteten Schwibbögen in den Fenstern verbreiten warmes Licht. Vor schiefergedeckten Häusern drehen sich haushohe Weihnachtspyramiden. Überall erklingen Weihnachtslieder: „Stille Nacht“, „Ihr Kindlein kommet“.
An den Adventswochenenden sind es Touristen, die in das kleine Dorf an der sächsisch-böhmischen Grenze strömen. Sie drängen sich durch die Hauptstraße und besuchen eine der vielen Schauwerkstätten. In ihnen stellen geschickte Handwerker jene Volkskunst her, in der sich die Sehnsucht nach einer heilen Welt spiegelt. Engel und Bergmann stehen dabei als Synonym für Himmel und Erde. Der Nussknacker, mit grimmigem Gesicht und im Gewand der Obrigkeit, muss Nüsse knacken, und der Räuchermann stellt den gemütlichen Erzgebirger dar, der sich durch nichts aus der Ruhe bringen lässt.
Andere Holzerzeugnisse knüpfen direkt an den Bergbau an, dessen Traditionen noch heute lebendig sind. So stehen Schwibbogen und Pyramide für nichts anderes als das Mundloch und den Förderturm eines Bergwerks und für die Sehnsucht der Bergleute nach dem Licht.
Entstanden ist diese Holzkunst vor über 200 Jahren aus einer Not heraus – der Bergbau wurde im 18. Jahrhundert immer weniger profitabel. Die Erzgebirger mussten aus einem Hobby einen Broterwerb machen und sie begannen, professionell Holzerzeugnisse zu schnitzen und zu drechseln und in alle Welt zu exportieren.
Um genügend Geld zum Leben zu verdienen, mussten in kurzer Zeit viele Stücke produziert werden. Schnitzen war zu aufwändig. Deshalb entstand die außergewöhnliche Technik des Reifendrehens. Dabei entstehen in mehreren Schritten aus einer Scheibe Fichtenholz verschiedenste Tiere und Figuren. Bei Christian Werner, der sich ganz der Kunst des Reifendrehens verschrieben hat, schauen wir zu, wie er an der Drehbank aus dem rotierenden Holz mit Augenmaß und viel Gefühl kleine Pferdchen formt. Späne fliegen in hohem Bogen durch die Luft. Werner arbeitet Hufe, Beine, Bauch und Hals heraus, doch für ungeübte Augen ist noch immer nichts zu erkennen. Erst beim Aufspalten des Rings mit Küchenmesser und Hämmerchen erkennen wir, das Pferdchen für Pferdchen in den Auffangkorb purzeln. Mit etwas Feinarbeit – die Tiere bekommen noch einen Schweif angeklebt und werden bemalt – finden die Holztiere den Weg in Kinderzimmer auf der ganzen Welt.
Das Erzgebirgische Spielzeugmuseum zeigt anschaulich die Geschichte der Seiffener Spielzeugmacher und ihrer Produkte. Zu sehen sind über 5 000 Weihnachtsexponate und historische Spielzeuge. Die über sechs Meter hohe Schaupyramide lässt nicht nur Kinderaugen leuchten.
Im nahen Grünhainichen können Besucher auf Tuchfühlung mit dem weltberühmten pummeligen Engel mit den grünen Flügeln und den elf weißen Punkten gehen. Sie sind das Markenzeichen einer von zwei mutigen Frauen – Grete Wendt und Margarete Kühn – gegründeten Manufaktur. Claudia Baer, in dritter Generation des Familienunternehmens berichtet von ihrer Großtante Grete, die im Herbst 1923 die schmucken Engel entworfen hatte: „Sie wollte keine Figuren mit starren Armen, es sollten lebendig wirkende angewinkelte Arme sein. Ihre Idee: Sie zerschnitt die Drehformen schräg zu ihrer Achse und fügte sie versetzt wieder zusammen. Das Ergebnis: Figuren, die sich durch Schwung und Dynamik auszeichnen.“ Bis heute werden die filigranen Engel in aufwändiger Handarbeit gefertigt, und das Design ist über einem Jahrhundert unverändert geblieben. „Das Gesicht der Figuren war meiner Großtante besonders wichtig. Lieb und offen musste der Blick sein“, erinnert sich Baer. Nur vier ausgewählte „Gesichtsmalerinnen“ setzen nach dem Sägen, Drechseln, Schleifen und Lackieren den Schlussakkord. „Etwa drei Monate und rund 36 Arbeitsstunden dauert es, bis ein Engel bereit zum Abflug ist“, erzählt Baer.
Drechslermeister Björn Köhler aus Eppendorf wagte 1989 in den Schritt in die Selbständigkeit. „Ich habe großen Respekt vor der gewachsenen Tradition, wollte aber etwas ganz neues schaffen“, erinnert sich Köhler. Seine knuffigen Weihnachtsmänner mit der charakteristischen roten Nase unterscheiden sich vom traditionellen Formenschatz erzgebirgischer Volkskunst und haben bereits Kultstatus und Liebhaber nicht nur in ganz Deutschland, sondern auch in Skandinavien, Japan und den USA. Zum Repertoire seiner Manufaktur gehören auch erfrischend moderne große und kleine Krippenfiguren. Darunter befindet sich mit Josef auch Köhlers Lieblingsfigur. „Ich war immer mit viel Eifer beim Krippenspiel in der Kirche dabei. Josef war für mich der Inbegriff von Demut und Einfachheit, und ich wollte ihm eine entsprechende Form verleihen“, sagt der im nahen Freiberg geborene und passionierte Erzgebirger Köhler.
Freiberg hat einen der schönsten Weihnachtsmärkte in Deutschland. Auf dem Obermarkt der historischen Altstadt, der mit seinen schmucken Bürgerhäusern die gute Stube der Stadt ist, sind vom liebevoll dekorierte Stände im bergmännischen Stil aufgebaut. Sie erinnern ebenso wie die Bergparade im Schein der Fackeln (7.12. an die 800jährige Geschichte Freibergs als Bergbaustadt.
Deutschlands ältester Weihnachtsmarkt ist der Dresdner Striezelmarkt, der in diesem Jahr bereits zum 590. Mal stattfindet. Sein Name leitet sich vom Stollen ab, dem berühmten Dresdner Weihnachtsgebäck, der früher „Striezel“ genannt wurde. Weitere beliebte Weihnachtsmärkte in Dresden sind der „Advent auf dem Neumarkt“ an der Frauenkirche, der mit seinen Ständen den Charme des Jahres 1910 versprüht, und der mittelalterliche Weihnachtsmarkt im Stallhof des Schlosses. Angeboten werden ausschließlich traditionell handgefertigte Produkte. Neben dem Stollen duften auch die Pulsnitzer Lebkuchen ganz verführerisch. Seit dem 16. Jahrhundert kommen aus der östlich von Dresden gelegenen sächsischen Kleinstadt diese wunderbaren Köstlichkeiten. Das Besondere – der Teig enthält kein Fett und wird wochenlang gelagert, ehe er gewürzt und weiterverarbeitet wird. Am besten schmecken die Pulsnitzer Spitzen, die mit Marmelade gefüllt und mit feiner Schokolade überzogen in die Tüte kommen.
Natürlich gibt es auch viele Stände, die traditionelles Kunsthandwerk aus der Region anbieten. Filigrane Pyramiden und Schwibbogen gehören ebenso dazu wie die Herrenhuter Sterne. Mit ihren unverwechselbaren 25 Zacken leuchten sie zur Adventszeit auf Straßen und Plätzen, in Kirchen und Wohnstuben. Auch wenn sie rund um den Globus zu entdecken sind – hergestellt werden sie ausschließlich im Oberlausitzer Städtchen Herrenhut, dem Sitz der Herrenhuter Brüdergemeinde. Die in vielen Varianten in Handarbeit gefertigten Sterne symbolisieren den Stern von Bethlehem aus der biblischen Geschichte. Einer der größten Herrenhuter Sterne leuchtet von der Frauenkirche in Dresden. Seine Botschaft lautet Hoffnung und Frieden und steht in der winterlichen Dunkelheit für eine Brücke zwischen den Menschen.
Titelbild: Wolfgang Schmidt