Von Karsten-Thilo Raab
Der alljährliche Farben- und Duftrausch hat seinen Höhepunkt noch nicht erreicht. Und doch blüht und duftet es an allen Ecken in der wohl berühmtesten Gartenanlage der Niederlande. Im gleichen Maße wie die sieben Millionen Blumenzwiebeln, die von mehr als drei Dutzend Gärtnern mühevoll zwischen Oktober und Weihnachten per Hand eingepflanzt wurden, sich mehr und mehr in prachtvolle Blumen entwickeln, strömen Garten- und Naturfreunde aus allen Teilen Europas nach Lisse. Die 24.000-Seelen-Gemeinde zwischen Leiden und Haarlem wird dann – wie seit gut fünf Jahrzehnten – zum Mekka der Pflanzenliebhaber.
Obschon der Keukenhof gerade einmal knapp zwei Monate im Jahr geöffnet ist, stimmen die Besucher eindrucksvoll mit den Füßen ab. Mehr als eine Million Gäste werden in dem kurzen Zeitraum in der faszinierenden Garten- und Parklandschaft südwestlich von Amsterdam begrüßt. Mit ihnen begrüßt ein gigantischer, sich kontinuierlich wandelnder Blumenteppich farbenfroh den Frühling.
„2023 bedeutet vor allem ein herzliches Willkommen zurück für unsere internationalen Gäste”, so Direktor Jeroen Duyster mit Blick auf die Corona-Beschränkungen der vergangenen Jahre. Gleichzeitig weist er darauf hin, dass der Keukenhof in diesem Jahr erstmals mit datumsgebundenen Eintrittskarten und einer maximalen Anzahl an Gästen pro Tag arbeitet. „Das sorgt für eine gute Planbarkeit und ein optimales Frühlingserlebnis für alle in unserem schönen Park”, unterstreicht Duyster.
Auch wenn sich einige der Frühblüher noch etwas Zeit lassen, sprießt und blüht es an allen Ecken und Enden des 32 Hektar großen Park mit seinen 2.500 Bäumen und 80 Baumarten sowie nicht weniger als 15 Kilometern an Spazierwegen. Allein 1.600 Tulpen-Varianten in allen Farben und Formen sind im Keukenhof zu bestaunen – viele davon in der überdachten Willem-Alexander-Halle.
So oder so entfacht der Keukenhof ob seiner Pflanzen- und Blütenpracht eine wahre Fotografie-Orgie. Gefühlt jede Blüte, jeder Grashalm, jedes noch so zarte Pflänzchen wird von den überaus entzückten Pflanzenliebhabern auf den Digitalchip der Kamera oder des Smartphones gebannt.
Beim Gang zwischen Beeten, Büschen und Bäumen kann sich wohl niemand dem faszinierenden Wechselspiel der Farben im Sonnenlicht und an schattigen Plätzchen entziehen. Vor allem Krokusse, Hyazinthen, Narzissen und Tulpen setzen hier die optische Akzente, auch wenn sich in dem weitläufigen Areal zahlreiche Kunstwerke in dem gigantischen Meer aus Blumen ducken.
Aber nicht nur unter freiem Himmel, sondern auch drinnen zeigt der Keukenhof blühende Blumen und Pflanzen. In den Pavillons sind wöchentlich wechselnde Blumenshows zu besichtigen.
Die Wurzeln dieser Blumenshow der Superlative gehen zurück bis in das 15. Jahrhundert, als Jakobäa von Bayern auf dem Areal Kräuter für die Schlossküche ihres herrschaftlichen Anwesen anbauen ließ. Davon zeugt auch der Name „Keukenhof“, der übersetzt „Küchenhof“ bedeutet. Im Jahr 1857 entwarf Landschaftsarchitekt Jan David Zocher zusammen mit seinem Sohn Louis Paul angrenzend an das 1642 errichtete Schloss Keukenhof dann einen englischen Landschaftsgarten. Eine grüne Oase, die noch heute das Herzstück des Keukenhofs bildet.
Auf Initiative von heimischen Blumenzwiebelzüchtern wurde auf dem Keukenhof-Gelände 1949 erstmals ein Frühlingsblumenschau abgehalten, um Werbung für die eigenen Züchtungen zu machen. Ab 1959 war der Park dann auch für die Öffentlichkeit zugänglich. Gepflanzt wird übrigens nach dem Lasagne-Prinzip in verschiedenen Schichten. Dies ermöglicht die überaus dichte Pflanzenpracht während der knapp achtwöchigen Öffnungszeit bis Mitte Mai. Dann beginnt am Keukenhof der ewige Kreislauf: Sämtliche Blumenzwiebeln werden wieder aus der Erde entfernt, um den Park nach und nach auf die nächste Saison vorzubereiten, bevor im Herbst wieder Tonnen an Blumenzwiebeln verbuddelt werden.
Weitere Informationen unter www.keukenhof.nl.
Fotos: Copyright Karsten-Thilo Raab