Neues Leben in alten Gemäuern

Urs Huebscher Von Urs Huebscher
8 Min. Lesezeit

In früheren Jahrhunderten fehlten oft Geld, Fantasie oder schlicht die Zeit für aufwändige Renovierungen – Fabrikhallen wurden verwaist zurückgelassen, Burgen dem Verfall preisgegeben oder alte Strukturen einfach dem Erdboden gleichgemacht. Heutzutage weiß man den Wert historischer Mauern wieder zu schätzen: Bauherren, Architekten und Restaurateure investieren viel Energie, um geschichtsträchtigen Gebäuden neues oder mitunter ganz anders geartetes Leben einzuhauchen, anstatt sie abzureißen. Und so wurden zum Beispiel ein Schloss im Meraner Land zum Begegnungsort auf Augenhöhe und eine ehemalige Bank auf Mallorca zum preisgekrönten Designhotel. 

Kesslerstadel, Matrei in OsttirolAußen voller Geschichten, innen voller Leben

Im historischen Gebäude Kesslerstadel in Matrei in Osttirol wird Denkmalpflege und Beherbergung sanft miteinander verbunden. Bildnachweis: Gertraud Brugger/Miriam Raneburger

Die Historie des traditionsreichen Osttiroler Anwesens Kesslerstadel im Ortskern von Matrei/Österreich reicht bis ins 16. Jahrhundert zurück. Die Urgroßeltern der heutigen Besitzerin Gertraud Brugger erwarben das Haus 1891 und nutzten es jahrzehntelang als Bauern- und später als Gasthof. Mit viel Achtsamkeit und dem Ziel, den Großteil der vorhandenen Bausubstanz zu erhalten, wurde das denkmalgeschützte Gebäude seit 2018 mehrfach renoviert. Mittlerweile stehen Urlaubern zwei moderne Ferienwohnungen im Obergeschoss sowie ein kleineres Apartment im Parterre als exklusive Unterkunftsmöglichkeit zur Verfügung. Namen wie „SauWohl“ und „BergsteigerSEIN“ sollen frischen Wind und junge sowie junggebliebene Gäste in das alte Gemäuer am Marktplatz bringen. Als „place to be“ gilt der Veranstaltungsraum, der dank seines traditionsreichen Flairs regelmäßig für Events, Vorträge und Feierlichkeiten genutzt wird. So hat sich der vielseitige Kesslerstadel mit seiner bewegten Vergangenheit in den letzten Jahren als kultureller, alpinistischer und menschlicher Begegnungsort etabliert.

Hotel Schwarzer Adler, St. Anton am Arlberg/TirolTiroler Gastfreundschaft seit über 600 Jahren

Nach über 450 Jahren ist das zentral gelegene Hotel Schwarzer Adler (links) immer noch eine der ersten Adressen in St. Anton am Arlberg/Tirol. Bildnachweis: Hotel Schwarzer Adler

Die Geschichte des österreichischen St. Anton am Arlberg ist eng verknüpft mit der des Arlberg Hospiz, einst als Zufluchtsort am Pass erbaut. Wie das „Alte Thönihaus“, eines der ältesten Gebäude im gesamten Alpenraum, bietet das historische Schutzhaus noch heute „Unterschlupf“ – allerdings in moderner Form. Seit 1570 empfängt auch das Hotel Schwarzer Adler in St. Anton am Arlberg Gäste. Als der Arlbergpass einst die wichtigste Ost-West-Verbindung im Habsburgerreich war, galt der Tiroler Gasthof bereits als geschätztes Etappenziel: etwa für Fuhrleute, die in den Stallungen frische Pferde für den steilen Weg über die Bergstraße benötigten, aber auch für Kaufleute und Pilger. 1885 erwarb Vinzenz Tschol das Haus samt zugehöriger Landwirtschaft und führte es in kleinem Rahmen weiter. Mit Beginn des 20. Jahrhunderts entdeckten schließlich die ersten Gäste die Stanzertaler Region als Sommerfrische, später auch im Winter. Heute führt Familie Tschol das stylische Vier-Sterne-Superior-Hotel in fünfter Generation mit 145 Betten, Spa, Pools und ausgezeichneter Kulinarik. Im Restaurant „Alte Stube“ (zwei Hauben im Gault&Millau 2022) verleiht Küchenchef Stephan Dialer regionalen Spezialitäten einen modernen Twist.

Casa Regina, Tessin/SchweizGeschichte(n) aus Holz und Stein

Historisch wertvolle Gebäude wie die Casa Regina im Tessiner Valle Leventina werden behutsam renoviert und als Ferienhaus vermietet. Bildnachweis: Stiftung Ferien im Baudenkmal

Die Casa Regina entstand 1684 am westlichen Hang des Valle Leventina in Calonico. Geschichtlich erwähnt wurde das kleine Dorf im nördlichen Teil des Tessins erstmals 1227. Der typische Leventina-Bau zeigt Merkmale der langen Urner Herrschaft, aber auch Elemente mit Mailänder Ursprung, was die Geschichte der Tessiner Region widerspiegelt. Die talseitige Fassade ist aus Holz, wogegen der Rest des Hauses auf der Bergseite aus Stein besteht. Genau 300 Jahre nach der Erbauung wurde das Haus vor dem Verfall gerettet und aufwändig renoviert. Heute gehört die Casa Regina zum Schweizer Heimatschutz-Angebot „Ferien in historischen Häusern“, das Denkmalpflege und Tourismus verbindet. Weite Räume und Steinelemente gemischt mit Holz sind das Markenzeichen des historischen Gemäuers, das Platz für bis zu acht Personen bietet. Einheimische erzählen Gästen auf Wunsch gerne persönliche Anekdoten über das geschichtsträchtige Leventiner Haus. www.ticino.ch

Riad Salam, Fès/Marokko Oase der Ruhe im Gewirr der Medina

Eine Oase der Ruhe in Marokkos Medinas bieten Riads Reisenden auf der Wandertour „Marokko – Traumland stilvoll genießen“ von Hauser Exkursionen. Bildnachweis: dietwalther/Adobe Stock

Die Medina von Fès gilt als älteste ihrer Art in Marokko und größte Fußgängerzone der Welt. Inmitten des Gassengewirrs befindet sich mit dem Riad Salam eine ruhige Oase. Früher fungierte es wie alle Riads (dt. Garten, kleines Paradies) als Familienhaus, das seinen Besitzern in der wuseligen Stadt Schutz und Privatsphäre bot. Die Fenster sind zum Innenhof mit Orangenbäumen und Brunnen ausgerichtet. Heute ermöglicht das Riad Salam Gästen ein authentisch-marokkanisches Urlaubserlebnis. Nur zehn Gehminuten vom Wahrzeichen „Blaues Tor“ entfernt erkunden Besucher die mittelalterliche Stadt von ihrer historischen Unterkunft aus.

Schloss Schenna, Südtirol – Wo der Burgherr persönlich durchs Anwesen führt

Schloss Schenna in Südtirol ist außen und innen weitgehend so erhalten, wie Erzherzog Johann es im 19. Jahrhundert bewohnt hat. Bildnachweis: Tourismusverein Schenna/René Gamper

Schloss Schenna in der gleichnamigen Gemeinde bei Meran zählt zu Südtirols bedeutendsten Burganlagen. Nachdem um 1350 mit Margarethe Maultasch eine für ihre Zeit viel zu selbstbewusste Gräfin den Bau veranlasste und später die Grafen zu Lichtenstein die Anlage zur ersten Blüte führten, verfiel deren Bedeutung zusehends. Erst ab 1845 hauchte Erzherzog Johann von Österreich, liberaler Habsburger und Andreas-Hofer-Freund, der Burg wieder neues Leben ein. Seine letzte Ruhestätte fand er übrigens 1869 im extra für ihn errichteten, neugotischen Mausoleum am Schenner Kirchhügel. Heute führt Familienmitglied Franz Graf von Spiegelfeld Besucher auf kenntnisreiche und humorvolle Weise durchs Schloss. Ehefrau Johanna Gräfin von Meran widmet sich in der Freizeit dem Strickdesign. Allerheiligen. 

Hotel Cort, Palma/MallorcaAus Bankgebäude wird Boutiquehotel

Einst Bank-Schalterhalle, heute Hotelrestaurant – im Cort in Palma spiegelt sich der Mix aus traditionellen mallorquinischen und modernen Elementen überall wider. Bildnachweis: Hotel Cort

Lounge und Bar anstelle einer Schalterhalle, XXL-Betten und Designsessel statt Bürostühlen: Hinter der historischen Fassade einer ehemaligen Bank verbirgt sich das Hotel Cort mitten in der Altstadt von Palma, Mallorca. Die Herausforderung, welche das einstige Bankhaus mit seinen hohen Räumen und unregelmäßigen Formen darstellte, meisterte der preisgekrönte spanische Innenarchitekt Lázaro Rosa-Violán. Er zeichnet für das Interieur des 4-Sterne-Superior-Hauses verantwortlich. Mithilfe landestypischer Materialien, edler Textilien und maritimer Farben setzte er die bestehenden Besonderheiten des 100-jährigen Gebäudes effektvoll in Szene und schaffte so einen unverwechselbaren Stil. Holzböden wechseln sich ab mit Mosaikfliesen, an Decken und Wänden hängen opulente Spiegel, antike Lampen sowie historische Seekarten. Weinregale tragen zusammen mit dunklen Eichenmöbeln und schweren Ledersofas zur behaglichen Atmosphäre bei. Das Hotel Cort ist Mitglied bei Design Hotels.

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Urs Huebscher ist seit vielen Jahren Chefredaktor und Head of des PRESTIGE Travel Magazin. Er reist seit mehr als zwanzig Jahren durch die ganze Welt und hat fast alle Ecken dieser Welt schon gesehen. Seine Reportagen sind in den Print-Ausgaben des PRESTIGE Travel und im Luxus-Magazin PRESTIGE sowie auf deren Online-Seiten zu lesen. Weiter ist er Mitglied der Vereinigung Swiss Travel Communicators, dem führenden Schweizer Netzwerk für Reisejournalismus.