Die Hurtigruten-Flotte bedient seit 130 Jahren die Reichsstraße Nr. 1 in Norwegen
Autor: Detlef Berg
Pünktlich um 20:30 Uhr lichtet die „MS Richard With“ in Bergen ihre Anker und begibt sich auf eine über 2 920 Kilometer lange Seereise gen Norden. Sie führt durch spektakuläre Fjorde und vorbei an kleinen Fischerdörfern über den Polarkreis und weiter bis ins nordnorwegische Kirkenes, das an der Grenze zu Russland liegt. Richard With, dessen Name das Schiff von Hurtigruten trägt, gründete vor 130 Jahren mit der „D/S Vesteraalen“ diese Linie. Der Kapitän und Reeder hatte bei seinen vorherigen Fahrten ein detailliertes Logbuch geführt. Dessen Daten ermöglichten ein sicheres Manövrieren durch die zerklüfteten Gewässer an der norwegischen Küste auch bei Nacht. Damals war der Weg über das Wasser die schnellste und oft auch einzige Verbindung von Ort zu Ort gewesen. Schließlich garantiert die Postschifflinie auch während der strengen Winter mit unpassierbaren Straßen die sichere Versorgung abgelegener Orte und wird deshalb staatlich subventioniert.
Hurtigruten verloren aber durch den stetigen Ausbau der Infrastruktur an Land im Laufe der Jahre immer mehr an Bedeutung, aber sie entdeckten rechtzeitig den Tourismus als eine neue Einnahmequelle. Längst sind für die „schönste Seereise der Welt“ moderne Schiffe unterwegs, um den Ansprüchen der Touristen zu entsprechen. Mit Kreuzfahrtschiffen sind die acht Postschiffe von Hurtigruten allerdings nicht vergleichbar – sie fahren weiter als Linienschiff, dienen als Fähre und legen in insgesamt 34 Häfen an. Technisch ist die Flotte auf der Höhe der Zeit – erst im letzten Jahr wurde zum Beispiel die „MS Richard With“ zu einem umweltfreundlichen Hybridschiff umgerüstet.
Die große Panoramalounge ist gut besetzt, als die Hansestadt Bergen mit ihrem berühmten historischen Hanseviertel Bryggen langsam am Horizont verschwindet. Von Expeditionsleiterin Svenja erfahren die Gäste am Abend noch, das gleich am nächsten Tag mit dem spektakulären Geirangerfjord einer der landschaftlichen Höhepunkte der Reise auf dem Programm steht. Wer einen Ausflug gebucht hat, fährt hinauf zur hoch über dem Fjord gelegenen Aussichtsplattform und erlebt ein sensationelles Panorama mit dem tiefblau schimmernden Wasser des Fjordes, eingerahmt von steil ansteigenden Felsen und bekrönt von oft noch schneebedeckten Berggipfeln. Wir müssen uns bei Regen und dichtem Nebel leider mit den Bildern von ausliegenden Prospekten begnügen. Dramatisch dann die Fahrt über elf Haarnadelkurven hinunter ins Tal und zur sanfteren Landschaft des Romsdalfjordes. In Molde, berühmt für seine Rosen und das Jazz-Festival, gehen wir wieder an Bord unseres Schiffes, genießen das Abendessen und lassen den Abend an der Bar ausklingen.
Auch am Tag drei gibt es interessante Vorträge über Land und Leute, in Englisch und auf Deutsch. Später erreichen wir mit Trondheim eine der schönsten Städte Norwegens. Zum Pflichtprogramm gehört die Besichtigung des Nidarosdomes. Es ist die Krönungskirche des norwegischen Königshauses und beeindruckt vor allem durch seine reich verzierte Westfront. Auch an den nächsten Tagen gibt es zahlreiche Ausflüge. Eine kombinierte Boots- und Bustour führt zum Svartisengletscher, dem zweitgrößten Gletscher des Landes, und die Lofoten, eine märchenhafte Inselwelt mit steil aus dem Meer herausragenden Bergen können mit dem Bus oder durch eine Küstenwanderung erkundet werden. Tromsö überrascht uns mit strahlendem Sonnenschein.
Einfach fantastisch ist deshalb der Ausblick vom Berg Storsteinen auf die Stadt, die Bögen der Sandnessundbrücke und die Insel Kvaloya. Im Polarmuseum erfahren wir, warum Tromsö den Beinamen „Tor zum Polarmeer“ trägt – Fridtjof Nansen und auch Roald Amundsen starteten ihre Expeditionen zum Nordpol von hier. Wir schaffen es nur bis zum Nordkap, wo ein Globusdenkmal die nördlichste Spitze des europäischen Festlands markiert. In Kirkenes unweit der russischen Grenze geht unsere Seereise zu Ende. Am liebsten aber hätten wir die Reise fortgesetzt – südwärts und wieder zurück nach Bergen mit weiteren spannenden Ausflügen.
Detlef Berg