Es klingt fast schon gemein, aber auf seiner fast kahlen Stirn funkelt die Sonne. Die scheint Georgios zumindest auch im Herzen zu tragen. Der sympathische Grieche mit dem zurückweichenden Haupthaar lebt seit gut zwei Jahrzehnten auf Korfu und lebt eine ansteckende Begeisterung für seine Wahlheimat aus. Als Taxifahrer kennt er nach mehr als 20 Jahren jeden Winkel, jede Ecke und jeden Stein auf der Ionischen Insel im Westen von Griechenland.

„Wir haben auf Korfu 100.000 Einwohner, vier Millionen Zypressen und fünf Millionen Olivenbäume“, behauptet Georgios mit dem Brustton der Überzeugung. Wer insbesondere die Bäume gezählt haben mag, bleibt wohl für immer und ewig Teil der griechischen Mythologie. Bei der Fahrt über die malerische Insel mit ihren einladenden Stränden wie in Acharavi, Agios Stefanos oder Moraitika zweifelt zumindest niemand an dem riesigen Baumbestand, ist Korfu doch überraschend grün.
„Über die Insel verteilt finden sich fast 800 Kirchen und Klöster“, weiß der dynamische Mitfünfziger, der einige Jahre in Deutschland als Kellner im Restaurant seines Onkels in Hilden arbeitete, zu berichten. Das wohl bekannteste Postkartenmotiv stellt das weiß getünchte, frühere Kloster Vlacherna (Panagias Vlachernon) dar. Die Klosterinsel mit der Kirche Panagias tou Vlachernon, die über eine steinerne Mole mit der Halbinsel Kanoni verbunden ist, erlangte im Jahre 1981 als Kulisse im James-Bond-Streifen „In tödlicher Mission“ filmische Berühmtheit. Getrübt wird die Idylle durch den ohrenbetäubenden Lärm von Flugzeugen, liegt das Kloster doch unweit der Landebahn und unmittelbar in der Einflugschneise des in den Sommermonaten überaus geschäftigen Flughafens von Korfu.
Nicht minder berühmt ist der Achilleion mit seinem opulenten Garten. Auf Bestreben der österreichischen Kaiserin Elisabeth, die sich regelmäßig auf Korfu aufhielt, wurde die einstige Villa zwischen den Jahren 1889 und 1891 nach Plänen von Raffaele Caritto zu einem Schloss erweitert. Die Monarchin legte auch fest, dass der Palast, der durch aufwendige Deckenmalereien, eine Vielzahl an Kunstwerken und wertvollen Einrichtungsgegenständen besticht, nach dem griechischen Sagenhelden Achilles benannt wird. Wegen Renovierungsarbeiten kann die Sommerresidenz, in der Sisi zweimal jährlich für einige Wochen anzutreffen war, erst im Jahre 2026 wieder besucht werden.
Lohnend ist derweil ein Abstecher nach Mon Repos, der einstigen Sommerresidenz der britischen Königsfamilie. Das Herrenhaus inmitten einer weitläufigen Parkanlage war lange Jahre Treffpunkt der gekrönten und geföhnten Häupter Europas. Der Bogen der illustren Gäste, die sich hier ein Stelldichein gaben, spannte sich von Sisi über Kaiser Wilhelm bis hin zu Prinz Philip, dem im Jahre 2021 verstorbenen britischen Monarchen, der hier das Licht der Welt erblickte. Viel ist vom Glanz vergangener Tage allerdings nicht mehr übrig. Von außen lässt sich die Pracht noch erahnen, im Inneren gibt es eine kleine Zahl an Exponaten, die über die Geschichte des Hauses und der Insel erzählen.
„Für mich ist Mon Repos nicht minder spannend als der Achilleion“, verweist Georgios auf die Tatsache, dass sich direkt angrenzend an das Herrenhaus ein Wohngebäude des ehemaligen jugoslawischen Diktators Tito befindet. Außerdem ducken sich im 25 Hektar großen Park die Reste eines antiken Tempels. Ein Kuriosum im Parkgelände ist das in die Jahre gekommene Kloster Saint Euphemia, in dem ungeachtet der stattlichen Ausmaße lediglich eine Nonne zu Hause ist.

Korfu wartet aber noch mit weiteren Highlights auf. Dazu gehört mit dem spektakulär auf dem höchsten Punkt der Insel errichteten Angelokastro eine Festung aus Zeiten der Byzantiner. Nicht minder spektakulär muten die Sandsteinklippen am Canal d’Amour an, die eine Reihe an Meeresbuchten säumen. Eine kleine Berühmtheit sind daneben die Zwillingsbuchten von Porto Timoni, deren Strände von einer schmalen, grünen Landenge getrennt werden.

„Ein absolutes Muss ist der Besuch von Korfu-Stadt“, schwärmt Georgios vom besonderen Flair der seit dem Jahre 2007 als Weltkulturerbe unter dem Schutz der UNESCO stehenden 30.000-Seelen-Gemeinde. Zwei historische Festungsanlagen schützten dereinst Korfu-Stadt, das auch Kerkyra genannt wird, vor Angreifer, insbesondere vor den Attacken der Osmanen. Die alte venezianische Festung aus dem 16. Jahrhundert erhebt sich auf einer kleinen Landzunge. Auf dem Areal des einstigen Bollwerks sorgt neben dem Leuchtturm die Kirche Agios Georgios, die einem dorischen Tempel nachempfunden ist, für einen besonderen Blickfang.
„Ich glaube, die ist nach mir benannt“, verkündet dann auch Inselkenner und Taxifahrer Georgios mit einem schelmischen Lächeln. Schon geht es weiter zur nahegelegenen neuen venezianischen Festung, die ebenfalls aus dem 16. Jahrhundert stammt. Um die Anlage hoch über der Garitsa-Bucht zu errichten, mangelt es den damaligen, venezianischen Machthabern vor allem an Steinen und Baumaterial. Und so wurde aus der Not eine Tugend gemacht. Mehr als 2.000 Häuser gegenüber der Festung wurden abgerissen.
„Rückblickend war das Fluch und Segen zugleich“, führt Georgios aus, dass durch diese Maßnahme Hunderte ihr Zuhause verloren. Gleichzeitig entstand so eine riesige Brachfläche zwischen Festung und Altstadt. Diese wurde schließlich zum größten Stadtplatz in Griechenland, der Spianada, umgewandelt. Teile des weitläufigen Areals werden heute von einem Cricket-Feld belegt – ein Erbe aus der Zeit des britischen Protektorats von 1815 bis 1864.
Am nördlichen Ende der Spianada erhebt sich der Palast von St. Georg und St. Michael, der ab dem Jahre 1864 bis zum Zweiten Weltkrieg als königliche Residenz diente und heute Sitz des Museums für asiatische Kunst ist. An der Westseite wird der mächtige Platz vom Liston gesäumt. Die imposanten Prachtbauten mit ihren Arkadengängen war zwischen 1807 und 1814 nach dem Vorbild der Häuserzeilen an der Rue de Rivoli in Paris als Unterbringungsmöglichkeiten für die französischen Besatzer errichtet worden. Nachdem die Briten die Vorherrschaft auf Korfu übernahmen, erhöhten sie die Gebäude um jeweils eine Etage und erweiterten die Arkadenbögen, unter denen sich heute vor allem Cafés und Restaurants angesiedelt haben.

Hinter dem Liston schließt sich die historische Altstadt von Korfu-Stadt mit ihren engen Gassen, quirligen Plätzen, einladenden Tavernen, Marktständen, Boutiquen sowie unzähligen Souvenirgeschäften an. Während sich insbesondere in den Sommermonaten die Menschenmassen im Schneckentempo durch die Häuserzeilen schieben, weiß Korfu-Stadt mit ureigenem Charme zu begeistern. Ein Stück Griechenland mit einer Mischung venezianischer Architektur, französischer Bauweise und britischem Prunk. Und so wird der Gang durch Korfu-Stadt ganz unweigerlich zu einer Zeitreise durch die vielen Kapitele der bewegten Inselgeschichte.
Bilder-Copyright: Karsten-Thilo Raab