Keine Stadt hat – abgesehen von London – so oft als Kulisse für die Abenteuer des Geheimagenten James Bond gedient wie die türkische Megametropole Istanbul. Zwischen Basaren, unterirdischen Zisternen und dem ewigen Strom des Bosporus wurden gleich mehrere 007-Missionen inszeniert.
Wenn Städte sprechen könnten, würde Istanbul flüstern – und zwar staatsmännisch und geheimnisvoll in der sonoren Stimmlage von Sean Connery. Die Metropole am Bosporus ist ein Schauplatz der Superlative: dynamisch, hier und da durchaus wuselig, dann wieder majestätisch und vor allem filmreif. Kein Wunder also, dass der britische Geheimagent Ihrer Majestät gleich mehrmals hier mit der Lizenz zu Töten unterwegs war, um einmal mehr die Welt vor größenwahnsinnigen Schurken zu bewahren.
In „Liebesgrüße aus Moskau“ (1963) schleicht Bond in seinem maßgeschneiderten Anzug durch die ehrwürdigen Hallen der Hagia Sophia, während ahnungslose Touristen Tauben füttern und Spione sich mit bedeutungsschwangeren Blicken zuwinken. Heute schlendert man – am besten mit dunkler Sonnenbrille im Gesicht – durch das UNESCO-Weltkulturerbe, als sei man selbst Teil einer Verschwörung mit globaler Tragweite. Wobei es eher unwahrscheinlich ist, wie einst 007 hier einen der ersten Kontakte zur russischen Spionin Tatiana Romanova (dargestellt von Daniela Bianchi) zu knüpfen.
Wo Bond mit Kerim Bey ruderte
Großen Raum nimmt zudem in „Liebesgrüße aus Moskau“ die faszinierende, 138 Meter lange und 65 Meter breite Yerebatan-Zisterne (Cisterna Basilica) ein. Hier trifft Gänsehaut auf Bond-Nostalgie. Die geheimnisvolle Atmosphäre, das Tropfen des Wassers, die von Medusenhäuptern getragenen Säulen – man erwartet beinahe, dass Q persönlich aus dem Dunkel tritt und ein brandneues Spionage-Gadget überreicht. In dem Leinwandklassiker rudert 007 mit seinem Istanbuler Kontaktmann Ali Kerim Bey durch den rund 1.500 Jahre alten Wasserspeicher, um einen Lauschangriff gegen Mitglieder der Verbrecherorganisation Phantom zu starten.
Natürlich fehlt eine Bootstour über den Bosporus nicht – mit dem Leanderturm und dem Dolmabahçe-Palast im Hintergrund – nicht. Hier stimmen Bond und Romanova ab, wann und wie 007 in den Besitz der russischen Dechiffriermaschine „Lector“ gelangen soll. Eine kleine Rolle bekleidet in „Liebesgrüße aus Moskau“ daneben der Sirkeci-Bahnhof im Herzen der Altstadt. Hier begann Bonds Orient-Express-Abenteuer. Nostalgie pur – obschon hier keine Schießereien auf dem Fahrplan stehen. Statt des berühmten Martinis, geschüttelt, nicht gerührt – der üblicherweise aus Gin, Wodka und trockenem französischen Wermut besteht – sollte im Bahnhofscafé einen echten türkischen Tee (Çay) genossen werden. Quasi als Lizenz zum Durchschnaufen.

Zwischen Küçüksu-Palast und Leanderturm
Schon geht es weiter auf den 007-Spuren zwischen Geschichte und Glamour, zwischen Orient und Okzident, zwischen Realität und Leinwandmagie. Schließlich nahm Istanbul in „Die Welt ist nicht genug“ (1999) mit Pierce Brosnan als Bond-Darsteller ebenfalls eine große Rolle ein. Der neobarocke Küçüksu-Palast, direkt am Ufer des Bosporus im Stadtteil Göksu gelegen, wird in dem Agententhriller als Residenz von Elektra King in Baku in Aserbaidschan ausgegeben.
Derweil diente der filmisch in Szene gesetzte Leanderturm (Kız Kulesi) Bonds Gegenspielerin Elektra als Versteck. Der markante Leuchtturm aus dem 18. Jahrhundert liegt auf einer kleinen Insel vor dem Stadtteil Üsküdar. Von hier startet Bösewicht Renard in einem Atom-U-Boot, um mit gestohlenen Plutonium einen Reaktorunfall im Bosporus herbeizuführen. Der Leinwandstreifen endet mit einer gemeinsamen Nacht von 007 und Dr. Jones auf einem Hausdach in Istanbul, symbolisch für den Triumph des britischen Geheimagenten über das Böse.
Verfolgungsjagd auf dem Dach des Großen Basars
Und Daniel Craig sprintete als Geheimagent Ihrer Majestät 2012 in „Skyfall“ nicht nur über das Dach eines fahrenden anatolischen Zuges, sondern ruinierte versehentlich im Stadtteil Eminönü Dutzende Marktstände und die Statik einiger Jahrhunderte alter Gebäude im Schatten der Nuruosmaniye-Moschee. Schauplatz des Spektakels war eine atemberaubende Verfolgungsjagd auf einem Motorrad über die Dächer und durch den Großen Basar (Kapalı Çarşı) – inklusive Stunts, die nicht nur die Souvenirhändler erschüttert haben dürften.

In Eminönü befindet sich unweit des Ägyptischen Basars auch die Deutsche Orientbank, wo die erwähnte actionreiche Verfolgungsjagd mit James Bond und Auftragsmörder Patrice (gespielt von Ola Rapace) beginnt, nachdem dieser eine Festplatte mit Geheimdaten entwendet hat.
Mit der Lizenz zum Genusserlebnis
Was Bond angesichts der rasenden Handlungsstränge im Film selten tut, ist Essen genießen — was wiederum ein grober Spionagefehler ist. Denn Istanbul kulinarisch zu erkunden, ist ein eigentlich Pflichtauftrag für Gaumenagenten: ob würziger Lahmacun, frisch gebrühter Mokka oder ein Glas Raki mit Meze. Perfekt dafür ist etwa das Roof Mezze 360 in der achten Etage des Seros Hotels. Mitten im geschichtsträchtigen Sirkeci-Viertel, wo einst James Bond durch die Gassen huschte, erhebt sich das Restaurant wie ein kulinarischer Leuchtturm über den Dächern der Altstadt – alle Sehenswürdigkeiten vom Topkapi-Palast bis hin zur Blauen Moschee und der Galata-Brücke im Blick.

Die Speisekarte erweist sich als Hommage an die Levante-Küche mit klarem anatolischem Akzent: Yesil Mercimek Salatasi, ein grüner Linsensalat, Kara Erik Yahnisi, ein Eintopf mit schwarzen Pflaumen und Rindfleisch, zartes Kebab, cremiger Hummus, mit Granatapfel veredelte Auberginen und Meze, die so kunstvoll angerichtet sind, dass man fast Hemmungen hat, sie zu zerstören – fast. Dazu fangfrischer Fisch, der vermutlich noch wenige Stunden zuvor im Bosporus seine Bahnen zog, und Desserts, die selbst einem gestrengen Sultan ein Lächeln entlockt hätten.
Gut getarnt nächtigen (Hotel-Tipp)
Und wo schläft ein echter Anhänger der Bond-Reihe in Istanbul, wenn sich der Tag nach der Hatz von Kulisse zu Kulisse dem Ende zu neigt? Natürlich nicht im Palasthotel mit 800-Euro-Zimmerpreis, sondern undercover im ibis Hotel Zeytinburnu. Hier checkt man ein, als sei man auf Geschäftsreise – getarnt mit (oder ohne) Aktentasche und viel Understatement.
Die Lobby ist so diskret wie ein Geheimtreffen bei Mitternacht, das Frühstücksbuffet ein neutraler Boden für Kontakte aller Couleur – von Backpackern bis hin zu vermeintlichen IT-Consultants, die verdächtig viele SIM-Karten bei sich tragen. Und wenn die 007-Jünger zwischen zwei Missionen einfach mal durchatmen möchten, schweift der Blick aus dem Hotelzimmer über das Marmarameer – und irgendwo dort draußen schippern vielleicht gerade die 007-Bösewichte von morgen rum. Für das nächste Bond-Abenteuer in Istanbul steht alles bereit. Fehlt nur der Martini – geschüttelt, nicht gerührt, und ein Darsteller für den 26. Auftritt des Geheimagenten…
Wissenswertes zu Istanbul in Kurzform
Informationen: www.goturkiye.com und www.visitistanbulofficial.com
Anreise: Turkish Airlines (www.turkishairlines.com) bietet von allen größeren Flughäfen Direktflüge nach Istanbul an.
Essen & Trinken: Roof Mezze 360 Restaurant, Seres Old City Hotel, Hoca Paşa, Hüdavendigar Cd. No:25, 34420 Fatih, İstanbul, Türkei, Telefon: 0090-536-4185025, www.roofmezze360.com. Das empfehlenswerte Rooftop-Restaurant im Seres Hotel in der historischen Altstadt bietet traditionelle türkischen Speisen und Ausblick auf die wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt.
Levantine Istanbul. Kazlı çeşme Mahallesi Kennedy Cad. No:52V, 34025 Zeytinburnu, Istanbul, Türkei, Telefon 0090-530-8464888. Im hippen Ausgehviertel Fiṣekhane im Stadtteil Zeytinburnu gelegen, vereint das stylishe Restaurant geschickt mediterrane, türkische und asiatische Einflüsse zu kleinen Genüssen.
Übernachten: ibis Istanbul Zeytinburnu, Kazlıçeşme, Kennedy Cad. N56, Zeytinburnu, 34025 Istanbul, Türkei, Telefon 0090-212-4143900, www.ibisistanbul.com oder https://all.accor.com. Das Drei-Sterne-Hotel mit eigenem Pool besticht durch ein passendes Preis-Leistungs-Verhältnis sowie durch ein für Hotels dieser Kategorie ungewöhnlich gutes wie üppiges Frühstückbuffet.
Alle Bilder: Karsten-Thilo Raab