Im Rausch der Farben am Lake Michigan

typo2wp Von typo2wp
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Bevor die dunklen Tage des Winters Einzug halten, begehrt die Natur noch ein letztes Mal auf und verwandelt sich in ein atemberaubendes Farbenmeer. Die Wälder stehen in Flammen – Rubinrot leuchtet der Ahorn. Goldgelb und orangefarben strahlen Eichen und Buchen, so als wollten sie mit der Kriegsbemalung  der Indianer, der amerikanischen Ureinwohner, konkurrieren.

Autor und Bilder: Detlef Berg

„Indian Summer“ heißt deshalb das Naturschauspiel, das für die Nachfahren der Ureinwohner mit einer alten Legende verknüpft ist. Danach erlegte der Himmlische Jäger den Großen Bären und das Blut tauchte die riesigen Wälder in alle erdenklichen Rottöne. Weniger poetisch ist die naturwissenschaftliche Erklärung. Im Frühherbst mit seinen sonnig-warmen Tagen und kühlen Nächten baut der Baum das Chlorophyll ab und lagert es für die Blätter des nächsten Frühlings in den Wurzeln, Ästen und im Stamm ein. Der Effekt – die roten, gelben und orangefarbenen Pigmente kommen zum Vorschein. Außerdem entwickelt der Baum nun auch Anthozyane, die die Blätter auf ihre letzten Tage rot leuchten lassen.

„Es ist nicht nur die Farbe, sondern ein Glühen, als ob die Blätter das Licht der Herbstsonne gierig festgehalten hätten und dann langsam wieder freigäben“. So beschrieb der amerikanische Literatur-Nobelpreisträger John Steinbeck dieses Naturschauspiel, das in solcher Pracht nur in seiner Heimat stattfindet.

Jahr für Jahr reisen „Leaf Peepers“ (Laubgucker) aus aller Welt vor allem in den Nordosten der USA nach Neuengland, um nichts anderes zu suchen als buntes Laub und leuchtende Landschaften. Ja nach Wetterlage beginnt die Laubfärbung bereits Mitte September und wandert von Norden immer weiter in den Süden. Wo sich die Bäume gerade in welchem Kleid zeigen, erfahren die Touristen im Internet oder über eigens eingerichtete Hotlines. Der Besucherandrang in diesen Wochen ist enorm. Stop and go heißt es auf manchen der besonders schönen Landstraßen, und Hotels und Restaurants haben Hochkonjunktur und verlangen entsprechend hohe Preise.

Nicht weniger spektakulär ist die Laubfärbung rund um den Michigansee, wo weit weniger Touristen zu finden sind. Das Spektrum der Laubbaumarten ist dort sogar noch größer und mischt sich mit dunklem Grün der Nadelbäume und dem strahledem Blau des Sees.

Eine der schönsten Panoramastraßen ist der Highway 31, der die Beachtowns am Lake Michigan miteinander verbindet und bis zur Mackinac Island hinaufreicht. „In den meisten Jahren beginnt die Laubfärbung Ende September und erreicht ihren Höhepunkt im Oktober“, sagt Dave Lorenz vom Tourismusbüro Pure Michigan. „Genau vorhersagen kann man das aber nicht. Es hängt immer vom Wetter und den Temperaturen ab. Manchmal reicht die Laubfärbung bis in den November“, erklärt er weiter. „Dann müssen sie aber auch schon mit Frost und Schnee rechnen.“

Erste Station am Lake Michigan ist Traverse City, auch bekannt als „Cherry Capital of the Word“. 500.000 Kirschbäume soll es hier geben. Doch jetzt im Herbst reift hier Wein heran. Allein auf der Old Mission Halbinsel, die 19 Meilen tief in den See hineinragt, gibt es zehn Weingüter, die erstaunlich gute Weißweine erzeugen. Im noch jungen Brys Estate zum Beispiel überzeugen vor allem die aromatischen Rieslinge. Man genießt sie im bequemen Deck Chair mir Blick auf den Lake Michigan. Ein anderer Ausflug führt zu den Sleeping Bear Dunes, die sich über 60 Kilometer am Michigansee entlang erstrecken. Viele Besucher zieht es zum Dune Climb, wo sie die Sandhügel erklimmen oder zum Pyramid Point mit einem schönen Wanderweg zur Steilküste. 

Dave Lorenz ganz persönlicher Tipp – fahrt hoch nach Harbor Springs und die M-119 immer am See entlang bis nach Cross Village. Die 27 Meilen lange Straße windet sich wie eine Schlange durch den Wald. Immer wieder überkronen die Bäume die zweispurige Straße und bilden einen Tunnel, den zu durchfahren ein großartiges Erlebnis ist. Unterwegs könnt ihr die Pond Hill Farm besuchen, einen Bauernhof wie aus dem Bilderbuch, und im Legs Inn in Cross Village gibt es polnische Küche vom Feinsten. 

„Big Mac“ ist nicht nur ein Burger. Auch die acht Kliometer lange Brücke der Interstate 75, die das Hauptgebiet des Bundesstaates Michigan mit seiner oberen Halbinsel verbindet, wird von den Einheimischen „Big Mac“ genannt. Für Touristen interessant ist die autofreie Mackinac-Insel, die zwischen Michigan- und Huronsee liegt Sie gilt als „Amerikanische Sommerfrische“ und hat mit dem berühmten Grand Hotel auch eine geschichtsträchtige Luxusherberge. Jetzt im Herbst geht es beschaulich zu. Eine Fahrt mit Pferdekutsche zeigt die landschaftlichen Schönheiten der Insel. Die Insel lässt sich aber auch auf Wanderwegen und mit dem Fahrrad gut erkunden. Auf jeden Fall probieren – die hausgemachten Fudge-Spezialitäten. Allein in der Main Street werben 14 Läden um die Gunst der Kunden.

Wir groß der Lake Michigan eigentlich ist, wird an der langen Fahrt von Mackinac Island nach Milwaukee im Bundesstaat Wisconsin am westlichen Ufer des Sees deutlich. Rund 600 Kilometer sind allein für diesen Teil der Lake Michigan Circle Tour zurückzulegen. Insgesamt sind es 1 770 Kilometer, die rund um den 58.000 Quadratkilometer großen See führt. Dessen Fläche ist deutlich größer als die gesamte Schweiz. Unterwegs lohnt ein Stopp im Door County  mit einer langgezogenen schmalen Halbinsel, die die Green Bay vom Lake Michigan trennt. Eine Küstenstraße führt durch die attraktive Landschaft mit Wäldern, schönen Stränden und Leuchttürmen. Zahlreiche schmucke Dörfer laden zum Verweilen ein. In Fish Creek zum Beispiel lohnt ein Bummel durch die von weißen Holzhäusern gesäumte Hauptstrasse. Überall blühen Herbstblumen, türmen sich Kürbisse und die Laubbäume tragen ihr prächtiges Farbkleid. Etwas weiter nördlich bei Ellison Bay beginnt ein kurviger Abschnitt der Straße, der durch einen Laubwald führt und jetzt im Herbst ein perfektes Fotomotiv hergibt.

Milwaukee, die mit fast 600 000 Einwohnern größte Stadt von Wisconsin, wird nur von wenigen USA-Touristen besucht. Dabei gibt die Stadt richtig Vollgas – und damit sind nicht nur die 450 Motorräder im Harley-Davidson Museum gemeint. Überall wird gebaut. Auf ehemaligen Brachflächen schießen Apartmenthäuser, Hotels und Konzerthallen aus dem Boden. Die Uferpromenaden wurden herausgeputzt, und direkt am Ufer des Michgansees steht mit dem von Santiago Calatrava erbauten Milwaukee Art Museum ein erstklassiges Museum. Richtig gefeiert wird auch – etwa beim „Germanfest“ oder dem Oktoberfest. Schließlich haben viele Einwohner deutsche Wurzeln und feiern ausgelassen ihre Herkunft und Kultur.

In Chicago, der größten Stadt am Lake Michigan, schließt sich der Kreis einer Rundreise um den See. Wer abkürzen möchte, wählt die Autofähre von Milwaukee nach Muskegon zurück ans Ostufer des Sees. Knapp drei Stunden braucht das Schiff für die Überfahrt und weitere drei Stunden sind es mit dem Auto bis nach Detroit. Im letzten Jahr vom Time Magazine als eine der Top World Cities eingestuft, wird „Motown“ langsam wieder cool. Nach dem industriellen Niedergang der einst so reichen Stadt siedeln sich täglich neue Firmen an, Geschäfte eröffnen und Einwohner kehren zurück. Es macht einfach Spass, in dieser dynamischen Stadt auf Entdeckungsreise zu gehen. 

www.visittheusa.de; www.michigan.org; www.travelwisconsin.com; www.visitdetroit.com

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