Im Sonderzug durch ganz Spanien

typo2wp Von typo2wp
8 Min. Lesezeit

Mit dem Tren Al Andalus von Sevilla nach Santiago de Compostela

Bitte einsteigen und die Türen schließen! Dann geht ein Ruck durch die lange Wagenschlange, der Zug setzt sich langsam in Bewegung. Pünktlich auf die Minute genau verlässt der „Palast auf Schienen“ – so nennt die spanische Bahngesellschaft ihren Nostalgiezug voller Stolz – den Bahnhof Santa Justa in Sevilla.

Autor & Bilder: Detlef Berg

54 Gäste sind diesmal an Bord. Sie begeben sich auf eine Sonderreise quer durch ganz Spanien, von Sevilla in Andalusien bis hinauf nach Santiago de Compostela. Schnell sind die Abteile bezogen und das Gepäck verstaut. Alle Reisenden treffen sich im Salonwagen zum Begrüßungsdrink. Man hat sich schon während des Vorprogramms kennengelernt, ist gespannt auf die Reise, die ein wenig in jene Vergangenheit zurückführt, als die 1929 gebauten Waggons den englischen König auf das Angenehmste von Calais an die Cóte d’Azur beförderten. Barmann Julio füllt edlen Cava in die Gläser, häuft Nüsse und Oliven in kleine Schalen. Alle nippen am Glas, die Stimmung ist gut. 

Auf dem Bahnsteig betreten die Passagiere den Zug über einen roten Teppich

Königlich war bereits der Aufenthalt im Hotel Alfonso XIII, dem wohl spektakulärsten Hotel von Sevilla, das für sich schon eine Sehenswürdigkeit ist. 1929 im Mudejar-Stil für internationale Würdenträger zur iberoamerikanischen Ausstellung gebaut, vereint das luxuriöse Haus typisch andalusisches Dekor mit zeitgemäßem Komfort. Von dort ist es nicht weit zur Kathedrale mit ihrem berühmten Glockenturm und dem Königspalast Alcazar. Zu Sevilla gehört auch der Flamenco. Im Flamenco-Museum von Christina Hoyos wird die unendliche Geschichte zwischen den Geschlechtern mit musikalisch-dramatischen Mitteln thematisiert. Männer beginnen herzergreifend mit kehligen Lauten zu singen, in der Rolle des einsamen, unverstandenen Verliebten. Dann gesellen sich Damen zu Gitarre und Gesang, zum rhythmischen Schlagen der Absätze auf dem Parkett. Dabei beginnen die Männer auf der Bühne zu applaudieren, feuern die Tänzerinnen an, bis die Begeisterung auf das Publikum überspringt.

Blick in den Speisewagen

Am Abend dann überrascht Andres Fernandez die Passagiere mit einem köstlichen Menü im Salonwagen. Der präsentiert sich mit holzgetäfelten Wänden, roten Plüschsessel und dem goldglänzenden Messing der Leuchten ganz im Stil der Belle Epoque. Das dreigängige Menü wechselt täglich, und auch für Vegetarier gibt es immer ein Angebot. Heute hat Fernandez diese Speisefolge auf die Teller gezaubert: Teufelskrabbenpastete mit Sprossen, knuspriges Spanferkel mit Apfel-Chutney und Arroz con Leche, süßer Milchreis. Einfach köstlich. Dazu werden ausgewählte erstklassige Weine aus Spanien angeboten. Gern lassen sich alle Gäste nachschenken.  Übrigens – eine Kleiderordnung steht nicht zur Diskussion. Man sieht Kleider, Jacketts, aber keine Krawatte. Eine Sitzordnung gibt es ebenfalls nicht. Gäste, die andere Gäste kennenlernen möchten, nehmen an einem Vierertisch Platz. Es gibt aber an der anderen Fensterseite auch kleine Zweiertische. Der kleine Mittelgang stellt dabei kein Hindernis für Gespräche mit den Gästen auf der anderen Seite dar.

Ausklingen kann der Abend im Barwagen bei einem Gin Tonic oder einem Sherry. Dazu läuft Musik. Gerade erklingt „As times goes by“. Wie schön nostalgisch.

In der Zwischenzeit ist der Zug zum Stehen gekommen, und fleißige Helfer haben die Sofas in den Abteilen – alle sind klimatisiert und mit Dusche und WC ausgestattet – zu Betten verwandelt. Gute Nacht!

In der Mezquita von Cordoba

Am Morgen erreicht der Zug Cordoba. Ein Begleitbus bringt die Passagiere zur eindrucksvollen Mezquita mit ihren fast neunhundert Säulen, verbunden durch weiss-rot gestreifte Bögen. „Die maurischen Kalifen entwickelten Andalusien ab dem achten Jahrhundert zu einem Zentrum der muslimischen Welt. Ein Zeugnis dieser Zeit ist die Mezquita“, erläutert die Reiseleiterin Petronella. Es bleibt auch Zeit, sich einfach durch die schmalen, blütenweiß gekalkten Gassen der Juderia treiben zu lassen. Später rattert der Zug weiter gen Norden, vorbei an Olivenbäumen und Obstplantagen.

Erstaunlich grün – der Norden Spanien mit dem Sil Canyon

Am nächsten Tag stehen mit Toledo und Aranjuez gleich zwei Unesco-Weltkulturerbe-Städte auf dem Ausflugsprogramm. Toledo thront auf einem Hügel, der von drei Seiten vom Fluß Tajo umflossen wird, und ist ein städtebauliches Gesamtkunstwerk. Beim nachmittäglichen Spaziergang durch die Parkanlagen von Aranjuez, einem Königsschloß vor den Toren von Madrid, fehlt nur die Musik vom berühmten Gitarristen Joaquin Rodrigo.

Viel zu sehen gibt es auch in Avila mit seiner gewaltigen Festungsanlage und in Leon mit seiner gotischen Kathedrale. Mit einer Flußfahrt im Sil Canyon mit seinen bis zu 500 Meter tief abfallenden Schluchten erleben die Passagiere auch das Grüne Spanien. Dieser Teil von Galicien, unweit der Grenze zu Portugal gelegen, ist auch bekannt für sein kleines Weinanbaugebiet Ribeira Sacra.

Bevor der Al Andalus weiterfährt, steht noch ein Bummel durch die Stadt Lugo auf dem Programm. Das Besondere – der Spaziergang führt auf der imposanten römischen Stadtmauer entlang. Etwas mehr als 2 200 Meter lang, umschließt sie die gut erhaltene Altstadt. Dort erwartet die Passagiere noch eine Überraschung. Eine kleine Musikkapelle hat Aufstellung genommen und spielt traditionelle Lieder aus Galicien – mit einem Dudelsack! Die Gaiteiros, so heißen die Dudelsackspieler hier, sind fester Bestandteil der Kultur von Galicien, die sich auch auf keltische Ursprünge zurückführen lässt. Die Zugreise könnte also auch unter dem Motto „Vom Flamenco zum Dudelsack“ stehen.

Kofferpacken ist das Motto am nächsten Tag. Der Al Andalus erreicht nach rund 1 250 Kilometern Fahrt quer durch Spanien auf seiner letzten Etappe Santiago de Compostela. Die Zugpassagiere wechseln für die beiden letzten Übernachtungen in den historischen Parador, der zentral am Platz des Obradoiro liegt und als ältestes Hotel der Welt gilt.

Santiago de Compostela – die Stadt im Zeichen der Muschel – ist Ziel vieler Pilger. Eine Jakobsmuschel hängt fast bei jedem irgendwo am Gepäck. Erschöpft, aber glücklich, erreichen sie den Platz vor der Kathedrale, in der sich das Grab des Apostels Jakobus befindet.

Anspruchsvoll ist auch das Programm der Passagiere – neben einer ausführlichen Besichtigung der Kathedrale mit ihrem Portikus der Herrlichkeit und der Figur des Apostels auf dem Hochaltar bietet die Stadt zahlreiche Kirchen, einige prächtige Paläste, schöne Plätze und zahlreiche Museen. Die Stadt ist der letzte von zahlreichen Höhepunkten der Reise, und der Zug ist ein perfekter rollender Botschafter Spaniens.  

Die nächsten Sondereisen finden im August 2024 statt. www.lernidee.de

Teile diesen Artikel