Wir sitzen auf der Terrasse des Paradise Kivu Resort und blicken hinunter auf den tiefblau leuchtenden Lake Kivu. Der See im Herzen Zentralafrikas liegt auf einer Höhe von rund 1400 Metern und gilt als einer der schönsten des Kontinents. Eindrucksvoll das Panorama: zahlreiche Inseln, das satte Grün der üppigen Vegetation und ein blauer Himmel mit Wolkenformationen bestimmen das Bild. In der Ferne sehen wir die Stadt Goma, überragt vom mächtigen, 3740 Meter hohen Nyiragongo-Vulkan. Beide liegen allerdings bereits in der Demokratischen Republik Kongo.
Autor & BiIder: Detlef Berg
Mansuet Umugwanzea breitet auf dem Tisch eine Landkarte aus. Er zeigt uns den Verlauf des Congo-Nile-Trails, der von Gisenyi am Nordende des Sees über 227 Kilometer bis nach Cyangugu an dessen südlichem Ende führt. Wir erfahren, dass der Name des Trails darauf hinweist, dass das Hochland die Wasserscheide der beiden grossen Flusssysteme ist. Wir werden die ersten vier Etappen des Wanderwegs mit unserem Guide am Ufer des Sees zurücklegen – es sollen die schönsten des gesamten Trails sein.
Am frühen Morgen sind wir startklar, verlassen Gisenyi, eine Stadt, die zur belgischen Kolonialzeit ein beliebter Badeort war. Nagelneue braune Schilder weisen uns den Weg. Sie sind das sichtbarste Zeichen dafür, dass der Congo-Nile-Trail ein gefördertes Projekt zur Entwicklung eines sanften Tourismus ist, bei dem die Besucher mit den Einheimischen auf Augenhöhe in Kontakt treten und authentische Einblicke in deren Leben gewinnen können. Der Wanderweg führt oberhalb des Steilufers durch dichte Wälder. Lichtungen geben aber immer wieder den Blick frei auf den unter uns liegenden See mit seinen zahlreichen Buchten und kleinen Inseln. Wir durchqueren eine Bananenplantage, und hier vertrauen wir ganz auf Mansuet, der die Region sehr gut kennt. Dann ein kurzer Halt an den heissen Quellen von Nyamyumba, und wenig später erreichen wir das erste Dorf. Viele Kinder begrüssen uns mit Hello-Rufen und wünschen lautstark «Good Morning, Mister». Ein Foto? Kein Problem! Bereitwillig posieren die Jungs, sie machen Faxen und kommen aus dem Lachen nicht mehr heraus, wenn sie sich auf den Bildern des Smartphones erkennen. Als wir am späten Nachmittag unser Quartier Cyimbiri Guest House erreichen, liegen 16 Kilometer Wanderung hinter uns. Die Zimmer sind einfach, aber sauber. Aufgetischt werden Kochbananen mit Gemüse und kleinen Fleischspiessen. Nach dem Essen beobachten wir den Sonnenuntergang und lassen den Tag mit einem kühlen Mützig-Bier ausklingen.
Die nächste Etappe ist nur 14 Kilometer lang, doch gleich am Anfang kommt eine besondere Herausforderung auf uns zu: Wir müssen einen reissenden Fluss überqueren. Eine Brücke gibt es nicht. Wir machen es wie die Ziegen, klettern von Felsbrocken zu Felsbrocken und kommen mit trockenen Füssen am anderen Ufer an. Danach führt der Weg wieder weiter am See entlang, um danach wieder anzusteigen. Dunkle, regenschwere Wolken ziehen auf – wir werden von einem heftigen Regenschauer überrascht. Aber wir haben Glück, können uns in einer Hütte in der Nkora Coffee Washing Station unterstellen. Es ist die erste von zahlreichen Kaffeeplantagen, denen wir am Wegesrand begegnen. Das Klima ist perfekt für den Anbau von Kaffee, der für seine ausgezeichnete Qualität bekannt ist und deshalb heute zu den wichtigen Exportgütern des Landes zählt.
Mit Mushonyi lernen wir ein typisches Dorf kennen. Die Häuser, solide aus Stein gebaut, sind zumeist hellblau gestrichen. Viele haben kleine Gärten mit Hecken, auf denen Wäsche zum Trocknen ausgebreitet liegt. Im Ort treffen wir auch zwei Radfahrer, die den Congo-Nile-Trail mit dem Bike auf einer parallel verlaufenden Route erkunden. Wir erkennen etwas Skepsis in den Gesichtern der Einheimischen. Warum nehmen die wohlhabenden Touristen diese Strapazen auf sich? Sie könnten doch viel bequemer in einem Jeep fahren, scheinen sie sich zu fragen. In der Tat sind wir am Abend erschöpft, aber überglücklich. Wir haben eine faszinierende Landschaft erlebt und sind immer wieder freundlichen Menschen begegnet. Im Kinunu Guest House ist man bereits viel besser als anderswo auf Gäste eingestellt, und wir bekommen ein wunderbares Abendessen mit Salat und frisch gebratenem Fisch aus dem See. Organisiert werden auch Barbecues direkt am Strand oder eine Führung auf der Kaffeefarm. Wer mag, kann auf einer geführten Tour Vögel und Schmetterlinge beobachten oder nachts zum Fischen auf den See hinausfahren.
Um uns die bevorstehende, mit 24 Kilometern längste und durch zahlreiche Anstiege schwerste Etappe etwas zu erleichtern, legen wir die ersten Kilometer bis Gihango mit einem kleinen Boot auf dem See zurück und erleben den Kivu Lake aus einer anderen Perspektive. Der Weg weiter nach Bumba führt wieder durch kleine Dörfer, in denen uns Schüler auf dem Nachhauseweg stolz ihre Zeugnisse zeigen und erklären, was es mit den Zensuren und Punkten auf sich hat. Die vierte Etappe bringt uns zum Endpunkt des nördlichen Teils des Wanderwegs, der in Karongi liegt. Wir verabschieden uns von Mansuet, der sich mehr Besucher für seine Heimat wünscht und sich über den Ausbau des Congo-Nile-Trails bis nach Rusizi am Südende des Sees freut.
Wir gönnen uns zum Abschluss der Wanderung den Luxus des One & Only Nyungwe House. Das Resort liegt südwestlich vom Lake Kivu inmitten einer Teeplantage und am Rande des gleichnamigen Nationalparks. Aus unseren Holzvillen blicken wir auf den traumhaft schönen Bergregenwald, der als einer der grössten zusammenhängenden Bergwälder in Ost- und Zentralafrika gilt. Mit gut ausgebildeten Rangern schlagen wir uns am nächsten Tag durch den beinahe undurchdringlichen Busch, um Schimpansen in ihrem natürlichen Habitat zu erleben. Nach zwei Stunden sehen wir die ersten Tiere. Sie sitzen ruhig in den Baumwipfeln und verrichten unbeeindruckt von den neugierigen Beobachtern ihr Geschäft. Für ein Schimpansen-Trekking muss rechtzeitig eine Genehmigung beantragt werden. Sie ist mit 100 Dollar teuer, aber es ist gut zu wissen, dass das Geld für dieses unvergessliche Erlebnis dem Schutz des Regenwaldes und seiner Tiere zugutekommt.
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