Als Schiff der neuesten Generation hebt die Sun Princess nicht nur wegen des Flüssiggasantriebs Kreuzfahrten auf ein völlig neues Niveau. Die schwimmende Kleinstadt verbindet auf ihren Mittelmeertouren zwischen Athen und Barcelona Genuss, Entspannung und Unterhaltung perfekt mit Entdeckungen an Land.
Autor & Bilder : Karsten-Thilo Raab
„Akropolis adieu“, hämmert es völlig unkontrolliert und immer wieder hinter den Schläfen, während das Taxi von Griechenlands Hauptstadt Athen Richtung Piräus rollt. Der berühmte Tempelberg, der als Weltkulturerbe unter dem Schutz der UNESCO steht, ist im Rückspiegel kaum noch zu erahnen. Bei einem famosen Streifzug zwischen dem Panathenischen Stadion, wo 1896 die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit stattfanden, der symbolträchtigen Wachablösung der Evzonen auf dem Syntagma-Platz vor dem Parlamentsgebäude und durch die Plaka, die historische Altstadt, präsentiert sich die griechische Kapitale von ihrer schönsten Seite. Und dies bei strahlend blauem Himmel. Kein Wunder, dass auf dem Weg in die nahegelegene Hafenstadt ein wenig Wehmut aufkommt.
„Akropolis adieu – ich muss gehen…“ – wieder dröhnt der Schlager von Mireille Mathieu unweigerlich in den Ohren. Dabei reicht es zu nicht mehr als dem Refrain. Wohl auch, weil Schlager eigentlich nie aus der heimischen Musikbox ertönen und der inzwischen hoch betagte „Spatz von Avignon“ längst Musikgeschichte ist.
Doch plötzlich stoppt der Ohrwurm ebenso unvermittelt, wie er sich eingeschlichen hatte. Grund ist ein an der Kaimauer vertäuter Gigant, der sich 21 Stockwerke hoch in den Himmel von Piräus auftürmt: die Sun Princess. Der funkelnagelneue Kreuzfahrtriese der renommierten amerikanischen Reederei Princess Cruises glänzt und funkelt mit der Sonne um die Wette.
Obschon die Gäste aus den USA, Kanada und Australien angesichts der langen Anreise kollektiv an den dicken Augenringen zu erkennen sind, scheinen nicht nur bei ihnen die Strapazen beim Anblick der Sun Princess binnen Minuten völlig verflogen zu sein. Eine kleine Stärkung, ein, zwei Drinks später zeigen sich alle völlig begeistert von dem neuen Schiff der Extraklasse.
Mit einem Seetag wird die achttägige Mittelmeerkreuzfahrt durch vier Länder perfekt eingeläutet. Perfekt, um – insbesondere für die weit angereisten Passagiere – sich zu akklimatisieren und die Müdigkeit aus den Knochen zu schütteln; perfekt aber auch, um den 61 Meter hohen und 345 Meter langen Ozeanriesen und sein Angebot genauestens zu erkunden. Dabei entpuppt sich das Schiff weniger als schwimmendes Hotel, sondern als schwimmende Kleinstadt: An Bord finden in den 2.157 Kabinen, von denen 1.500 über einen Balkon verfügen, stolze 4.300 Gäste Platz. Hinzu kommen 1.600 Crewmitglieder.
Auf 21 Decks verteilt, finden sich Shops, Restaurants, Bars, Cafés und ein Casino. Den sportlichen Kreuzfahrtgästen steht neben dem Fitnesscenter mit Blick auf die Hauptpools eine eigens konzipierte, beleuchtete Laufstrecke zur Verfügung. Derweil kommen Adrenalin-Junkies im Hochseilgarten auf dem Oberdeck auf ihre Kosten. Zudem lässt sich hier eine Deckrunde mit dem Hangglider in luftiger Höhe drehen.
Herzstück des umfangreichen Entertainmentprogramms ist die kreisrunde Arena. Rund um die zentrale (Hebe-) Bühne und die neun LED-Wände, auf die verschiedene Kulissen projiziert werden können, finden bis zu 1.000 Gäste Platz. Ein Ensemble aus mehr als 100 Artisten, Tänzern und Musikern lädt zusammen mit namhaften Gastkünstlern aus aller Welt zweimal abendlich zu einer 45-minütigen Unterhaltungseinlage.
„Wir wollen moderne, frische und energetische Shows präsentieren“, gibt sich Melissa Tsang, verantwortlich für Veranstaltungen und Dienstleistungen an Bord, überaus ehrgeizig. Dabei weiß die energetische junge Dame mit dem zum Pferdeschwanz zusammengebundenen Haar, dass die Passagiere unterhalten werden wollen und entsprechend mit den Füßen abstimmen: „Wir gehen davon aus, dass etwa 60 Prozent der Gäste täglich am Abendprogramm teilnehmen. Einige wollen nach einem langen Tag mit Landausflug allerdings auch einfach nur entspannen.“
Mit 19 Knoten, was etwa 35 Stundenkilometern entspricht, ist der mit Flüssiggas angetriebene Gigant auf dem Mittelmeer unterwegs. Quasi in einem Tempo wie in einer verkehrsberuhigten Zone – nur auf dem Wasser. Kein Wunder, dass Kreuzfahrten so herrlich entschleunigen.
Erster Stopp ist Montenegro. Der kleine Balkanstaat ist kein Mitglied in der EU, gleichwohl ist der Euro hier offizielles Zahlungsmittel. Und Montenegro, das kaum mehr als 600.000 Einwohner zählt, kann mit einem besonders magischen Ort aufwarten: Kotor. Das Weltkulturerbe liegt malerisch in der nach der Stadt benannten Bucht an der Adria, die als südlichster Fjord Europas gilt. Im Schatten einer hoch aufragenden Kalksteinklippe, die Teil des Lovćen-Gebirgsmassivs ist, duckt sich die Altstadt eingebettet in eine 4,5 Kilometer lange Stadtmauer. In den engen, verträumten Gassen fügen sich mittelalterliche Steinhäuser zu einem phantastischen Gesamtensemble zusammen. Das autofreie Kotor könnte mit seinen Palästen und Kirchen problemlos als riesiges, frei zugängliches Freilichtmuseum durchgehen, bei dem hinter jeder Ecke Neues zu entdecken gibt.
Zurück an Bord der Sun Princess macht sich die Sonne allmählich für die Nacht fertig. Eine lange schmale Wolke hat sich vor den Feuerball geschoben und taucht den Himmel in ein zartes Rosa. Mit einem launigen „Ciao for now“ schließt Kapitän Paolo Arrigo, der auch als Kapitän bei der amerikanischen TV-Serie „Love boat“, der US-Variante des „Traumschiffs“ mitwirken durfte, sein tägliches Briefing über die bevorstehende Route und das Bordprogramm an die Gäste. Das sanfte Schaukeln der Wellen wiegt die Kreuzfahrer ebenso sanft in den Schlaf. Selbst bei kräftigeren Brisen und stärkerem Seegang liegt der 175,500 Tonnen schwere Ozeanriese ruhig im Wasser.
Noch vor Sonnenaufgang macht die Sun Princess im Hafen von Korfu fest. Die ionische Insel mit ihren 100.000 Einwohner, fünf Millionen Olivenbäume und vier Millionen Zypressen gehört nicht von ungefähr zu den beliebtesten Zielen im Westen von Griechenland. Das historische Zentrum von Korfu-Stadt, das zum UNESCO- Weltkulturerbe gehört, weiß mit hübschen schmalen Gassen, der alten, auf einer Landzunge gelegenen venezianischen Festung, die auch über einen dorischen Tempel verfügt, sowie dem Palast von St. Georg und St. Michael, der ab 1864 als königliche Residenz genutzt wurde, zu begeistern.
Etwas außerhalb liegt inmitten einer weitläufigen Parkanlage Mon Repos. Das Herrenhaus war einst Treffpunkt der gekrönten und geföhnten Häupter Europas. Der Bogen spannt sich von der österreichischen Kaiserin Sisi über Kaiser Wilhelm bis hin zu Prinz Philipp, dem 2021 verstorbenen britischen Monarchen, der hier das Licht der Welt erblickte. Direkt angrenzend an den Palast findet sich ein Wohngebäude des ehemaligen jugoslawischen Diktators Tito. Außerdem ducken sich im Garten die Reste eines dorischen Tempels. Ein Kuriosum im Parkgelände ist zudem das runtergekommene Kloster Saint Euphemia, in dem ungeachtet der stattlichen Ausmaße lediglich eine Nonne lebt.
Nächster Stopp ist Sizilien, wo die Sun Princess direkt am historischen Zentrum von Messina anlandet. Fast unweigerlich verdunkelt sich die Hafenstraße angesichts der gigantischen Ausmaße des Kreuzfahrtriesens, während der nahegelegene Ätna ob des wolkenverhangenen Himmels allenfalls zu erahnen ist. Vom Anleger ist es nur ein Katzensprung zum neoklassizistischen Palazzo Zanca, einem der markantesten Bauten von Messina. Nur wenige Gehminuten entfernt erhebt sich die Kirche Santissima Annunziata dei Catalani. Die Kirche aus dem 12. Jahrhundert ist ein besonderes Kleinod. Das Gotteshaus besticht durch einen ungewöhnlichen Mix aus arabischen, normannischen und byzantinischen Elementen.
Noch mehr Blicke ziehen der Dom mit seinen kunstvollen Mosaiken sowie dem angrenzenden Glockenturm auf sich. Der 48 Meter hohe Campanile del Duomo di Messina darf sich rühmen, über die größte astronomische Uhr der Welt zu verfügen. Zu Füßen des Turms zieht die Fontana di Orione die Blicke auf sich. Der Brunnen auf der Piazza Duomo gilt mit seinen Skulpturen und Wasserspielen als ein Meisterwerk der Renaissance, erschaffen von Giovanni Angelo Montorsoli, einem Schüler Michelangelos.
Zum Abschied aus Sizilien schiebt sich der schwimmende Pott in der Hafeneinfahrt am Fort San Salvatore und der Statue „Madonna della Lettera“ vorbei, um Kurs auf Neapel zu nehmen. In der Millionenstadt am gleichnamigen Golf legt die Sun Princess abermals direkt am Zentrum an. Von Bord fällt der Blick auf eine uralte, trutzige Festung, das Castel dell’Ovo, und den Palazzo Reale, das königliche Schloss. Direkt gegenüber dem Opernhaus Teatro San Carlo schlummert mit der Galleria Umberto I ein architektonisches Highlight. Die zwischen 1887 und 1890 errichtete Einkaufsgalerie mit ihren exklusiven Boutiquen, Restaurants und Cafés wird von zwei sich kreuzenden Achsen mit tonnenförmigen Glasdächern sowie einer riesigen Glaskumpel in deren Kreuzungsbereich geprägt.
Das Einkaufsherz von Neapel schlägt unterdessen vornehmlich entlang der Via Toledo und ihrer vielen kleinen Nebenstraßen mit einladenden Trattorias, Restaurants und Bars. Hier kommt nahezu überall die berühmte Pizza Margherita, die in Neapel ihren Ursprung hatte, auf den Tisch. Der mit Tomaten, Mozzarella und Basilikum belegte neapolitanische Fladen ist in der Regel für sieben bis zehn Euro zu haben.
Groß ist weiterhin die Verehrung für den 2020 verstorbenen Fußballstar Diego Armando Maradona, der den SSC Neapel im Jahre 1987 und 1990 zu den ersten Meistertiteln der Vereinsgeschichte sowie 1989 zum UEFA-Cup-Sieg führte. Sein Trikot ist immer noch ein Bestseller in den Souvenir- und Sportgeschäften. Das Konterfei prangert auf Handtüchern, Flaggen und zahllosen Hausfassaden.
Während der Argentinier bis heute fast den Status eines Heiligen genießt, weißt die Via San Gregorio Armeno eine weitere Besonderheit auf. In der Altstadtstraße reiht sich ein Krippengeschäft an das nächste. Kennzeichen der Neapolitaner ist derweil offenbar, dass die Männer eine Passion dafür entwickelt haben, auf einem Zahnstocher herum zu kauen. Ist dieser irgendwann völlig aufgeweicht, landet er ausgespuckt auf dem Bürgersteig.
Das Spucken von Lavamassen machte hingegen den vor den Toren der Stadt liegenden Vesuv weltberühmt. Der Vulkan, dessen nächste Eruption gemäß Einschätzung von Experten in den kommenden acht bis zehn Jahren bevorstehen könnte, begrub im Jahre 79 nach Christus das Städtchen Pompeji meterhoch unter Aschebergen. Ab Mitte des 18. Jahrhunderts gelang die systematische Freilegung der auf einem Hügel liegenden Stadt, in der in Hochzeiten bis zu 18.000 Menschen lebten. Die Vulkanasche zerstörte Pompeji komplett, konservierte aber gleichzeitig über die Jahrhunderte weite Teile des heutigen Weltkulturerbes. Die frei gelegten Reste von Geschäften, Restaurants, Thermen, Wohnhäusern und des Amphitheaters zeugen von der hochentwickelten Kultur in römischer Zeit. Säulen und Fresken, aber auch die versteinerten Leichname einiger Opfer erzählen auf beeindruckende Art und Weise von den letzten dramatischen Stunden, bevor die Stadt durch den Ausbruch des Vesuvs förmlich ausgelöscht wurde.
Heute ist Pompeji mit rund 3,5 Millionen Besuchern pro Jahr nicht von ungefähr die meistbesuchte Attraktion in ganz Italien. Entsprechend schiebt sich die Lawine der kulturbeflissenen Geschichtsjünger im Schneckentempo eines verlangsamten Lavastroms durch die famose Ausgrabungsstätte, deren populärster Anlaufpunkt ein ehemaliges Bordell ist. Hier mussten Sklavinnen aus aller Herren Länder zwangsweise ihre Liebesdienste anbieten. Da die bemitleidenswerten Damen zumeist der Sprache der Einheimischen nicht mächtig waren, wurden Bilder mit verschiedenen Stellungen für den Liebesakt an die Wände gemalt. Hier konnten die Freier dann mit einem Fingerzeig ihre sexuelle Vorliebe einfordern. Und während bei den alten Römern gemeinhin der Penis als Symbol für Fruchtbarkeit und Glück galt, wurde dieser in Pompeji an verschiedenen Stellen im Stadtgebiet als Wegweiser zum Bordell in den Boden eingearbeitet oder auf Hauswänden angebracht.
Mit einem Rucksack voller faszinierender Eindrücke geht es zurück an Bord der Sun Princess und damit auf die letzte Etappe Richtung Spanien. Ein kompletter Tag auf See gibt noch einmal Gelegenheit, die vielen, vielen Höhepunkte der Kreuzfahrt Revue passieren zu lassen und die Annehmlichkeiten des Schiffes auszukosten. Wobei der Müßiggang an Bord fast schon unweigerlich nach sich zieht, dass man immer mal wieder an einem der vielen Essensangebote Station macht und einfach mehr zu sich nimmt, als man eigentlich möchte oder gar benötigt. Grund ist sicher auch, dass die angebotenen Speisen und Getränke allesamt hochwertig sind – kein Wunder, wollen doch alle 29 Restaurants und Bars allesamt getestet werden.
Bei wohlig warmen Temperaturen geht es schließlich nach dem Abendessen nochmal aufs Pooldeck, wo unter dem Titel „Movies under the Sky“ auf einer riesigen Leinwand allabendlich Filmklassiker und aktuelle Kinofilme gezeigt werden. Die sanfte Brise und ein Cocktail in der Hand sorgen hier für den perfekten Abschluss einer unvergesslichen Reise, ehe am nächsten Morgen Barcelona als Zielhafen erreicht ist.
Vom Balkon der Kabine fällt der Blick auf die hoch aufragenden Türme der Sagrada Familia, dem imposanten Sakralbau und Meisterwerk von Antoni Gaudí in der Altstadt der katalanischen Millionenmetropole. Mit einem lachenden und weinenden Auge geht es von Bord. Ein lachendes, weil Barcelona darauf wartet, entdeckt zu werden, bevor es mit Flugzeug zurück in die Heimat geht; ein weinendes, weil die Sun Princess ohne Frage für ein ganz besonderes Erlebnis auf hoher See gesorgt hat.