Zypressenalleen und schmale Landsträßchen, die sich in zahllosen Serpentinen sanfte Hügel hinaufwinden, prägen das Bild der Toskana. In dieses wundervolle Panorama, das jedem Fotokalender zur Ehre gereichen würde, fügen sich immer wieder ocker- oder aprikosenfarbene Landsitze und Kirchlein als belebende Farbtupfer ein. Einer von ihnen ist das mittelalterliche Dorf Borgo San Felice, das inmitten von Weinbergen des Chianti Classico Gebiets liegt.
Autor: Detlef Berg
Etruskische Gräber aus dem 6. Jahrhundert vor Christi Geburt zeugen von der langen Geschichte des Weilers. Erstmals erwähnt wurde er 714, als sich die Bischöfe von Arezzo und Siena um das Gebiet stritten. Aus dieser Zeit stammen die ersten Mauern der kleinen Pfarrkirche. Später, im Mittelalter kämpften Florenz und Siena um die Vorherrschaft in der Region.
Im 19. Jahrhundert schließlich wurde San Felice für seinen Wein berühmt. Die Familie des Grafen Grisaldi del Taja setzte bereits frühzeitig auf Qualität und zählte 1924 zu den Mitbegründern des „Consorzia del Chianti Classico“, einem Schutzverein, der über die Qualität der in einem eng umgrenzten Gebiet erzeugten Weine wacht. Doch zunehmende Landflucht ließ das historische Anwesen in einen tiefen Dornröschenschlaf fallen.
Der Prinz, der den Weiler wachgeküsste, war der italienische Ableger der Allianz-Gruppe. In den 1970er Jahren erwarb er San Felice und entwickelte einen langfristigen Plan zur Restaurierung des kleinen Dorfes, das seinen ländlichen Charme behalten sollte. Entstanden ist ein feines Landhotel mit 29 Zimmern und Suiten, die sich in den unterschiedlichen Gebäuden des Borgo befinden. Luxuriös im toskanischen Stil ausgestattet, gleicht keines einem anderen. Mal führt eine schmale Treppe nach oben in einen kleinen Turm zu einem Zimmer mit fantastischer Aussicht auf die Weinberge der Region. Andere Zimmer haben Loggien, auf denen man am Abend den Sonnenuntergang beobachten kann.
Das Zentrum bildet die Piazza mit einem herrschaftlichen Patrizierpalast und einer kleinen Kapelle. Neues Leben zog auch in die einstigen Wohngemächer des Pastors und die frühere Schule ein. Azurblau leuchtet der beheizte Aussenpool, umgeben von einer Liegewiese und schlanken Zypressen. In der Ölmühle befindet sich das Spa, in einer alten Werkstatt wird heute auf höchstem Niveau gekocht.
Dort wird auch das ausgezeichnete Öl der 15 000 Olivenbäume verwendet, die zum riesigen Landbesitz des Gutes gehören. Klar, auch Rebanlagen gehören zum Portfolio. 150 Hektar sind mit Wein bepflanzt. Die daraus erzeugten Weine tragen das Markenzeichen des Chianti Classico, den Gallo Nero. Der Önologe Leonardo Ballacchini sorgt seit über 40 Jahren für die Qualität der Weine, die immer wieder Spitzenplätze bei internationalen Verkostungen erreichen. Im historischen Weinkeller lädt er zur Verkostung ein. Dunkelrot funkelt ein „Il Grigio“ Chianti Classico Gran Selezione aus dem Jahre 2019 im Glas. Kräftige Aromen von Schwarzen Kirschen, geräuchertem Schinken und herzhaften Kräutern charakterisieren diesen Wein, der viel Potenzial mitbringt. Wenn man ihn nicht bereits zum Abendessen genießt.
Zur Auswahl stehen die „Osteria“ mit bodenständig toskanischer Küche oder das Gourmetrestaurant „Il Poggio Rosso“. Dort begrüßt Juan Camilo Quintero seine Gäste, ein junger Kolumbianer, der seine Lehrjahre bei Massimo Bottura verbracht und vor drei Jahren seinen ersten Micheli-Stern erhalten hat. „Ich verbinde traditionelle italienische Küche, modern interpretiert, mit vielen Ideen aus meiner Heimat Kolumbien“, sagt er und serviert Mandelravioli mit aromatischer Knochenbrühe, Morcheln und dem für Lateinamerika typischen Koriander. Großartig ist auch seine Version von Ceviche: Frischer Bernsteinfisch, geangelt vor der Küste der Insel Capraia, kommt mit einem Sorbet von roten Zwiebeln, Sauerampfer und etwas Limettensaft auf den Tisch.
Borgo San Felice, Mitglied bei Relais & Chateau; 53019 Castelnuovo Beradenga St.; www.borgosanfelice.it