Zusammen mit zehn luxemburgischen und acht französischen Gemeinden ist die einstige Industriemetropole Esch-sur-Alzette europäische Kulturhauptstadt 2022 und begeht das Jahr mit einem wahren Veranstaltungsmarathon.
Über Jahrzehnte bildete Esch-sur-Alzette das Herzstück der größten Industrieregion des Landes, war so etwas wie das Ruhrgebiet Luxemburgs. Längst ist in der zweitgrößten Stadt des kleinen Großherzogtums der letzte Stahl gekocht. Qualmende Schlote gehören der Vergangenheit an. Gleichwohl kann und will die Region rund um die 36.000-Seelen-Gemeinde im Südwesten des Landes, in der Menschen aus 122 Nationen Zuhause sind, ihre industrielle Vergangenheit nicht leugnen. Ein Selbstverständnis, das sich auch mit Blick auf das Jahr als Europas Kulturhauptstadt 2022 deutlich widerspiegelt.
Unter dem Leitmotiv „Remix Culture“ feiert Esch2022 die Geschichte, Gegenwart und Zukunft einer grenzüberschreitenden Region im Herzen Europas. Vom 26. Februar bis 22. Dezember 2022 stehen rund 160 Projekte mit mehr als 2.000 Events auf dem Programm. Der Fokus soll gleichermaßen auf Kultur, Nachhaltigkeit, Tourismus, Austausch und Begegnungen liegen.
Mit einer Fläche von 273 Quadratkilometern, 122 Nationalitäten und fünf Sprachen ist das Kulturhauptstadt-Areal passend zur einstigen Stahlindustrie ein Schmelztiegel der verschiedenen Einflüsse. Schon im Vorfeld von Esch2022 sind zahlreiche neue Kultureinrichtungen entstanden, wie die Konschthal, das Bridderhaus oder eine Infrastruktur für Künstleraufenthalte.
Auch das ehemalige Ariston Kino wurde gezielt umgestaltet, um das Angebot des Escher Theaters auf ein jüngeres Publikum ausdehnen zu können. Weitere Beispiele sind das neues Museum in Kayl zur Erforschung der Arbeit – Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und auch die Erweiterung des Musée National de la Résistance wie auch die Sanierung der zukünftigen Ausstellungsräume der Möllerei und Massenoire in Belval.
Letzteres gehört mit seinen markanten Hochöfen zu den Landmarken von Esch-sur-Alzette. Dort, wo 1911 die Stahlhütte der Gelsenkirchener Bergwerks AG, die ab 1937 vom Luxemburger Stahlkonzern ARBED übernommen wurde, in Betrieb ging, entstand in den zweieinhalb Jahrzehnten so etwas wie die neue Denk- und Kaderschmiede des Großherzogtums. Wo einst Luxemburgs wirtschaftliches Herz schlug und die Stahlproduktion bis Mitte der 1970er Jahre, als die weltweite Stahlkrise einsetzte, für 7.000 Arbeitsplätze und großen Wohlstand sorgte, dominieren heute Innovation und Hightech. Auch für Wohnen, Kultur und Freizeit ist auf dem gut 120 Hektar großen Areal genügend Raum geschaffen worden.
Belval war (und ist) eines, wenn nicht sogar das größte städtebauliche Entwicklungs- und Neubauvorhaben in ganz Europa. In den letzten zweieinhalb Jahrzehnten ist hier kaum ein Stein auf dem anderen geblieben. Unter Einbindung der verbliebenen Hochöfen und Gebäude des 1997 stillgelegten Stahlwerkes entstand ein hochmodernes Viertel, in dem heute Wohnraum für fast 7.000 Menschen zu finden ist.
Und so ist Belval mit seinem Einkaufszentren, Restaurants, Kneipen, dem Kinokomplex und den vielen Freizeitmöglichkeiten längst mehr als nur ein Nebenzentrum von Esch. Wichtiger jedoch ist die Tatsache, dass hier Tausende neue berufliche Perspektiven gefunden haben – darunter Hunderte von Wissenschaftler. Denn als „Cité des Sciences“, als Stadt der Wissenschaft, beheimatet Belval den Campus der erst im Jahre 2003 gegründeten Universität von Luxemburg.
Basierend auf einem, vom holländischen Architekturbüro Jo Coenen aus Maastricht entwickelten Masterplan sind auf dem Gebiet der einstigen Hochofenstraße rund 20 moderne Gebäudekomplexe entstanden beziehungsweise – darunter neben den Universitätsgebäuden verschiedene Forschungszentren, eine Bibliothek in der ehemaligen Möllerei sowie die Maison des Arts et des Etudiants als Zentrum für kulturelle, künstlerische und soziale Veranstaltungen. 2005 eröffnete zudem mit der Rockhal die größte Konzerthalle des Landes, in der sich seither die namhaftesten Künstler des internationalen Rocks und Pops ein Stelldichein geben.
Doch nicht nur im Vorzeigeviertel Belval lässt sich das Flair von Esch2022 genießen. Das nahegelegene Käerjeng etwa wird mit dem „Festival de Feu” ganz im Zeichen des Feuers stehen, präsentiert aber gleichzeitig die vielen Geschmacksrichtungen der Region mit dem Projekt „Au Goût du Terroir“. In Petingen wird der Karneval in all seinen Formen gefeiert. Derweil zelebriert Bettembourg die Literatur als kulturelles
Band und lädt ein, zwischen den Zeilen jungen literarischen Schaffens zu reisen, und über den Einfluss der künstlichen Intelligenz in unserem Alltag zu debattieren.
Auch abseits des kulturellen Programms lässt sich Esch 2022 auf vielfältige Art und Weise erleben. Der neu angelegte Minett Trail von Clemency bis Bettembourg ermöglicht es, auf Schusters Rappen die luxemburgischen Biosphärenreservate zu entdecken. Der Wanderweg erstreckt sich über 90 Kilometer durch den Süden Luxemburgs und endet in Ellergronn, in den Regionen Nordmosel und Meurthe-et-Moselle in Frankreich.
Wie der Minett Trail lädt auch die Minett Cycle Tour, ein mehr als 150 Kilometer langer Radweg, zu einer Reise durch Naturschutzgebiete, Industriegeschichte und architektonische Besonderheiten der Region ein. Während Esch2022 werden auch spezielle kulturelle Veranstaltungen entlang der Wander- und Radstrecke stattfinden. Quasi Europas Kulturhauptstadt 2022 „to go“…
Informationen und Programm: www.esch2022.lu/de
Allgemeine Informationen: www.visitluxembourg.lu, www.citylife.esch.lu
Lage: Esch-sur-Alzette liegt rund 20 Kilometer südlich von Luxemburg-Stadt im Südwesten des Großherzogtums.
Kulturhauptstadt: 2022 wird Esch-sur-Alzette zusammen mit den zehn Luxemburger Gemeinden des Verbands Pro-Sud sowie den acht französischen Gemeinden der „Communauté de Communes Pays Haut Val d’Alzette“ (CCPHVA) den Titel der Europäischen Kulturhauptstadt tragen. Esch2022 läuft vom 26, Februar bis zum 22. Dezember 2022. Neben Esch fungieren 2022 auch Kaunas (www.kaunas2022.eu/en) in Litauen und Novi Sad (www.novisad2022.rs) in Serbien als europäische Kulturhauptstädte.