Eine Stadt namens KL

Der 1928 errichtete Nationalpalast, der Istana Negara, die Residenz des Königs in Kuala Lumpur
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Die malaiische Millionenmetrople Kuala Lumpur ist eine Boomtown zwischen vorgestern und übermorgen.

Autor & Bilder: Karsten-Thilo Raab

Die Straßen und Bürgersteige sind wie geleckt. Kein Müll, kein Kaugummi liegt hier herum. An jeder Ecke fungieren Männer und Frauen mit Strohhüten auf dem Kopf als flotte Feger und schwingen den Reisigbesen. Während die Hauptachsen von Kuala Lumpur, der pulsierenden Hauptstadt Malaysias, fast rund um die Uhr dem Verkehrsinfarkt zu erliegen drohen, flitzen Motorradfahrer zwischen den kaum vorankommenden Autos her. Drei, vier Personen auf einem Zweirad sind dabei keine Seltenheit. Viele Biker tragen eine falsch herum angezogene Jacke. Der Reißverschluss oder die Knöpfe zeigen nach hinten, um so den warmen Fahrtwind umzuleiten.

Flip-Flops und Schlappen gehören offenbar für viele Malaien zum Alltags-chic. Ebenso wie der schlurfende Gang. Vielleicht gibt es auch wie beim olympischen Gehen eine Regel, die besagt, dass mindestens ein Fuß immer Bodenkontakt haben muss. Gleichwohl haben die offenen Schuhe in dem Immer-warm-Land durchaus ihre Daseinsberechtigung. Den in KL, wie Kuala Lumpur kurz genannt wird, liegen die Temperaturen fast ganzjährig konstant zwischen 28 und 32 Grad Celsius. Manchmal auch um die 30 Grad Celsius oder um die 30 Grad Celsius. Nachts sinken die Quecksilbersäulen sogar mal auf die 25-Grad-Marke.

Motorradfahrer in Kuala Lumpur

Abkühlung findet sich in den vielen klimatisierten Malls entlang der Bukit Bentang und den Shopping-Tempeln der Superlative wie dem Pavilion oder dem Suria KLCC. In den modernen Einkaufszentren, von denen es mehr als ein Dutzend im Stadtgebiet gibt, sind alle namhaften Labels der Welt vertreten und lassen KL zu einem wahren Einkaufsparadies avancieren. Wenngleich sich hier für den Europäer nur wenige Schnäppchen machen lassen, zumal die Preise sich kaum von denen in Europa unterscheiden.

„KL ist eine Boomtown zwischen vorgestern und übermorgen“, konstatiert Yuén Wai Chan. Wie alle chinesisch stämmigen Malaien hat der Touristenführer auch einen selbst gewählten englischen Namen und nennt sich „Mr Raymond“.

„Der Name Kuala Lumpur bedeutet etwa so viel wie dreckiger Zusammenfluss“, erläutert der 55-jährige mit Blick auf die Stelle unweit des Unabhängigkeitsplatzes, dem Dataran Merdeka, an der sich das Wasser des Grombaks mit dem des Kelangs zu einem Fluss vereint. Dies sei, so Chan, so etwas wie die Keimzelle von KL, dessen Skyline von Wolkenkratzern aus Stahl, Glas und Beton dominiert wird.

Petronas Twin Towers in Kuala Lumpur

Markantestes Bauwerk sind die von Stararchitekt César Antonio Pelli entworfenen Petronas Twin Towers, die bei ihrer Fertigstellung im Jahre 1998 mit 452 Metern als die höchsten Gebäude der Welt galten. Die weithin sichtbaren Zwillingstürme sind mit einer nicht verankerten, sondern auf Kugellager ruhenden „Skybridge“ im 41. und 42. Stockwerk auf einer Höhe von 157 Metern miteinander verbunden. Von hier, so wie von der Ausstellungsfläche zum Bau der Stahlbetonriesen in der 86. Etage lässt sich ein herrlicher Blick auf KL genießen – sofern man eines der begehrten Tickets für 80 Ringgit ergattert hat.

„Wer sicher gehen will, dass er in die Towers auch reinkommt, sollte am Nachmittag des Vortages versuchen, eines der lediglich 1.600 Eintrittskarten für den Folgetag zu bekommen“, rät Chan. Für diejenigen, die bei der Kartenlotterie Pech haben, hat der zweifache Familienvater noch eine Alternative parat: den Fernsehturm. Die Aussichtsplattform des 421 Meter hohen Menara KL liegt auf 276 Metern Höhe. „Außerdem gibt es hier die welthöchste McDonalds Filiale“, fügt Chan lächelnd hinzu.

Der Menara KL erhebt sich auf einem 90 Meter hohem Hügel, dem Bukit Nanas, inmitten eines Naturschutzgebiets, einem Stück Großstadtdschungel, in dem sich Affen, Pythons, Eichhörnchen und Eidechsen tummeln.

Zu den weiteren Landmarken in KL zählen das Sultan Abdul Samad Gebäude, eine Mischung aus viktorianischer und maurischer Architektur aus dem Jahre 1897 am Dataran Merdeka sowie die Old Railway Station. Architektonisch stellt der mehr als 100 Jahre alte Bahnhof eine wunderbare Kombination zwischen westlichem und östlichem Stilen dar, während sich der überdachte Central Market im Art-dèco präsentiert. Sehenswert ist fraglos auch die Nationalmoschee Masjid Negara, die 15.000 Gläubigen Platz bietet. Etwas außerhalb des Stadtzentrums liegt der 1928 errichtete Nationalpalast, der Istana Negara, die Residenz des Königs.

Ein ganz anderes Gesicht zeigt KL in den traditionellen, chinesischen geprägten Ecken. Rotes Lampions und gelb-rote Schirme überspannen die Jalan Pentaling im Herzen von Chinatown. Neben Garküchen finden sich in den vor allem abends stark frequentierten Straßen des Viertels unzählige Stände mit „fast echten“ Markenartikeln zum Schnäppchenpreis. Dafür auch ohne Garantie und oft ohne Qualität. Wer das famose Straßenkino entspannt genießen möchte, sollte sich einen Platz in einem Kedai Kopi, einer Mischung aus Kneipe und Tante-Emma-Laden, suchen, wo für Cent-Beträge süßer Tee und Kaffee auf den Tisch des Hause kommen.

Auch sonst hat das Chinesenviertel seinen ureigenen Charme. Überall schmokeln Räucherkerzen vor sich hin, Garküchen verbreiten ungenierte ein Meer an Düften. Neben einfachen Behausungen, geducktem, in die Jahre gekommenen Häusern und Blechhütten drängen sich islamische Moscheen, hinduistische Tempel, christliche Kirchen und buddhistische Schreine, aber auch einfach Hotels und noch einfachere Restaurants. Letztere konzentrieren sich vor allem entlang der Jalan Alor, wo unzählige kleine Küchen und Stände fast ausschließlich Frittiertes oder Gegrilltes für kleines Geld feilbieten. Hier einen Hummer für umgerechnet fünf Euro, dort herrliche Satay-Spieße oder leckere Ente für ein paar Ringgit.

So viel gutes Essen macht natürlich durstig. Ein perfekter Platz, um die Kehle zu benetzen, ist fraglos die Skybar in der 33. Etage des Traders Hotels. Nicht nur, dass sich in der Höhenluft herrliche Cocktails genießen lassen, nein, von hier gibt es wohl den besten Blick auf die wenige Hundert Meter entfernt aufragenden Petronas Twin Towers. Und wer möchte, kann auch noch schnell in den Pool hüpfen.

Nur an einer malaiische Besonderheit muss man sich auch hier oben gewöhnen. Kellnerin Rachel jedenfalls ist sichtlich irritiert. Das auf dem Tisch zurückgelassene Trinkgeld lässt sie ein wenig verzweifelten. Eiligen Schrittes kommt sie mit dem Geld in der Hand hinterhergelaufen. Der Hinweis, das sei Trinkgeld, lässt Rachel noch verwirrter zurück: „What for?“ – „Wofür?“ will sie wissen. Denn in Malaysia ist Trinkgeld nicht üblich.

www.malaysia.travel

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