Eine kulinarische Reise durch Katalonien

Urs Huebscher Von Urs Huebscher
12 Min. Lesezeit

In Katalonien sagt man sprichwörtlich über einen Menschen, der sich nicht entscheiden kann, „er kocht aus allen Töpfen“. Damit man sich gar nicht erst entscheiden muss, wurde mutmaßlich die katalanische Küche „Cuina mar i muntanya“ erfunden, die Gerichte auf den Teller bringt, die das Beste aus zwei Welten vereinen – aus dem Meer und vom Land – und mit raffinierten Fisch- und Fleischkombinationen begeistert. 

Katalonien schmecken: “Cuina mar i muntanya”
Der katalanische Schriftsteller Josep Pla definierte Küche treffend „als Landschaft, die in den Kochtopf gesteckt wird“. Die katalanische Küche ist so kontrastreich wie die Landschaft Kataloniens, die geprägt ist von den 3000 Meter hohen Gipfeln der katalanischen Pyrenäen und über 500 Kilometer Mittelmeerküste. Charakteristisch für die „Cuina mar i mutanya“ (auf Deutsch: Küche vom Meer und Berg) sind Gerichte, die Fisch mit Fleisch kombinieren. Die Vielfalt der Landschaften führt zu einer ebenso großen Produktvielfalt. Vic im Norden ist bekannt für die Wurst Llonganissa, Tarragona für die Winterzwiebel Calçot, eine Art Frühlingszwiebel die gegen Ende des Winters über dem offenen Feuer gegrillt wird, Lleida für seine Äpfel, die Costa Brava und Costa Daurada sind für ihre Weißfische und Garnelen bekannt. Austern und Reis kommen aus dem Ebrodelta im Süden, das Olivenöl stammt aus dem Empordà und dem Baix-Ebre Montsià und die katalanischen Weinbaugebiete für Wein und Cava erstrecken sich von Barcelona über die ganze Region. Der historische Ursprung der Weinkultur aus Katalonien mit insgesamt elf geschützten Herkunftsbezeichnungen für Wein sowie einer für Cava liegt im Empordà. Neben dem Cava-Sekt sind auch der Kräuter-Digestif Ratafía und der Wermut typisch katalanisch.
Die gastronomische Kultur Kataloniens wurde historisch von allen Völkern, die in der Mittelmeerküche einen Namen haben, wie den Griechen, Römern, Mauren, Italienern und Franzosen geprägt. Bis heute verfügt die Region über eine sehr kreative und innovative Restaurantszene, die von der klassischen katalanischen Küche bis zur avantgardistischen Küche reicht. In den 90er Jahren schufen Ferran Adrià, damals Küchenchef im El Bulli und Santi Santamaria, damals Küchenchef im Can Fabes, die „neue katalanische Küche“, die sich dem Produkt und der Freiheit der eigenen Schöpfung verpflichtet und weltweit neue gastronomische Parameter setzte. Das Restaurant El Bulli hat Adrià 2011 geschlossen, es soll aber 2020/2021 als Labor El Bulli1846 wiedereröffnet werden. Heute zählt die Region 52 Sterne-Restaurants. Die bekanntesten sind die Drei-Sterne-Restaurants El Celler de Can Roca in Girona, ABaC und Lasarte im Hotel Condes in Barcelona.
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Auf Pilzjagd in den gebirgigen Wäldern Kataloniens
Die Pilzsuche ist in Katalonien sehr beliebt und man spricht hier nicht von Suche, sondern von Jagd (Katalanisch: „caçar bolets“, auf Deutsch: „Pilze jagen“). Die Wälder in den Landkreisen Berguedá, Alta Ribagorça und Solsonès im Norden Kataloniens sowie das Gebiet um den Berg Montseny nördlich von Barcelona und im Gebirge Els Ports im Süden eignen sich aufgrund ihres feuchten Klimas hervorragend für die Pilzsuche. Zu den Speisepilzen in Katalonien gehören Edelreizker, Erdritterling, Bordeaux-Pilz, Nelkenschwindling, Morcheln und Kaiserling. In Viladrau in der Provinz Girona und Vilanova de Prades nahe der Costa Daurada gibt es die besten Maronen. Besucher des Gebirges Muntanyes de Prades können sich unter der fachkundigen Führung von Ernest Gatell, Mitglied der Katalanischen Gesellschaft für Mykologie, auf „Pilzjagd“ durch zwei verschiedene Ökosysteme begeben und so die vielfältigen Pilzsorten der Region kennenlernen.
In der Herbstsaison ist der Pilz der Star zahlreicher katalanischer Gerichte, wie zum Beispiel Fricandó – ein Gericht mit Rindfleisch und Ritterlingen. Darüber hinaus veranstalten die Katalanen im Oktober viele Feste rund um den Pilz wie die Fira Llenega de Cardona im Landkreis Bages am 25. Oktober. Hier dreht sich alles um den Schneckling und die Besucher erwarten Pilzausstellungen, Wettbewerbe, Pilzgerichte sowie ein regionaler Markt. In Castellterçol findet am letzten Oktoberwochenende traditionell eine Messe für Pilze und Naturheilpflanzen mit Verkostungen, Natur-Workshops und Marktständen statt. Wer Pilze katalanisch genießen will, ohne sich ins Flugzeug, ins Auto oder in die Bahn zu setzen, der besucht das katalanische Restaurant D.O. in Berlin. Auf der saisonalen Speisekarte steht derzeit das typische katalanische Gericht „Botifarra amb seques“: katalanische Bratwurst gespickt mit Steinpilzen, weißer Bohnencreme und Trüffelöl.

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Reisanbau im Ebro-Delta
An der Flussmündung des Ebros im Landkreis Montsià im Süden Kataloniens in der unmittelbaren Nähe zum Mittelmeer liegt das UNESCO Biosphärenreservat Naturpark Ebrodelta. Das Ebrodelta ist das größte Feuchtgebiet Kataloniens und eines der wichtigsten Feuchtgebiete am westlichen Mittelmeer. Die Landschaft ist geprägt von großen Lagunen, Marschgebieten, Dünen und das 320 Quadratkilometer große Delta ist international für seine Vogelwelt mit mehr als 370 Arten bekannt, darunter auch Flamingos. Die sumpfige Beschaffenheit des Bodens, der mehrmals im Jahr überschwemmt wird und die klimatischen Bedingungen sind auch ideal für die Reispflanze, die hier seit dem 17. Jahrhundert angebaut wird. Vorrangig wird die Reissorte Bomba im Ebrodelta angebaut, die für Paella verwendet wird.

Mit traditionellen Festen feiern die Katalanen das Setzen der Reispflanzen im Juni und die Reisernte im Oktober. Beim Besuch des Reismuseums Molí de Rafelet in Deltebre erfahren Besucher alles über den Anbau und den Erhalt der verschiedenen Reissorten wie Bomba und Marisma.
Das seit 2011 mit einem Ecolabel zertifizierte Hotel L’Algadir del Delta in Poble Nou mit insgesamt elf Zimmern bietet eine Reis-Masterclass an: Zuerst geht es mit einem lokalen Bauern auf das Reisfeld und die Teilnehmer lernen alles Wissenswerte rund um Anbau und Reissorten, danach probiert man sich selbst am Kochtopf aus unter Anleitung der Küchenchefin des Hotels. Gemeinsam bereiten die Kochschüler verschiedene regionaltypische Reisgerichte wie beispielsweise „Arròs negre“, mit Tinte vom Tintenfisch gefärbter schwarzer Reis oder „Arròs a banda“, ein Reisgericht mit Fisch und Meeresfrüchten zu, die anschließend gemeinsam verkostet werden. Eine sehr empfehlenswerte Unterkunft für kulinarisch interessierte Reisende im Ebrodelta ist auch das gastronomische Hotel-Restaurant Diego in Santa Bàrbara mit 21 Zimmern. Das Restaurant bietet nur Zutaten von höchster Qualität wie Fleisch aus der eigenen Viehzucht und Fisch vom in der Nähe gelegenen Fischmarkt.

Das Familienunternehmen Delta Polet hat sich seit den 80er Jahren zur Aufgabe gemacht, das Ebrodelta als Naturraum zu erhalten und für die Einrichtung des Naturparks gekämpft. Sie bieten ökologische Touren für Gruppen, Schulklassen und Familien an, in denen die Teilnehmer etwas über die Ökosysteme im Ebrodelta und den Reisanbau lernen. Der Reisanbau ermöglicht nicht nur den Erhalt des Ökosystems, sondern hat auch eine sehr wichtige Funktion der Kontrolle und Reduzierung des Salzgehalts des Bodens.

Der letzte Wermutstropfen: Unterwegs auf der Ruta del Vermut
Die katalanische Stadt Reus, zwei Stunden südlich von Barcelona, ist nicht nur die Geburtsstadt Antonio Gaudís, sondern auch des spanischen Wermuts. Der Kräuterwein wird bereits seit dem 19. Jahrhundert in Reus hergestellt und besteht aus einer Weißweinbasis, die mit karamellisiertem Zucker, Alkohol (Brandy, Port oder Sherry) und einer Mischung aus verschiedenen Kräutern und Zitrusfrüchten versetzt wird. Ein Wermut besitzt einen Alkoholgehalt zwischen 14,5 und 22 Prozent, ist eher bitter im Geschmack und sehr vielseitig in seiner Verwendung: so ist er nicht nur ein Klassiker unter den Aperitifs, sondern auch eine Zutat in vielen Cocktails – vom Negroni über den Martini bis zum Manhattan.
Rund um die Tradition des spanischen Wermuts aus Reus sind verschiedene Führungen buchbar, die Besucher tiefer in die Geschichte des Kultgetränks eintauchen lassen: Die zweieinhalbstündige Tour „Vermut i botigues amb historia“ führt zu den vielen traditionsreichen Geschäften mit Wermutvergangenheit in Reus, seinen jahrhundertealten Weinhandlungen und typischen Bodegas, zwei Wermut-Verkostungen inklusive. Wer die Nahrungsaufnahme mit einem kleinen Geschichtsexkurs verbinden möchte, sucht das Restaurant des Museu del Vermut auf. Besitzer Joan Tàpias ist bekennender Wermut-Liebhaber und stellt in seinem Lokal über 1.300 verschiedene Wermutflaschen, 3.000 Flaschenetiketten und mehr als 300 Poster rund um den Wermut aus.
Stilecht lässt sich ein Wermut in Katalonien auch bei einem “Vermuteo” genießen, einer Zusammenkunft zum Wermut-Aperitif am Mittag, das sich wachsender Beliebtheit vor allem unter jüngeren Menschen erfreut – bestenfalls auf einer sonnenverwöhnten Terrasse einer Bar in Reus. ¡Salud!
Weitere Informationen: https://www.reusturisme.cat/ruta-del-vermut

Wussten Sie schon…? Auf Spurensuche des Bacardi-Rums in Katalonien
Denken wir an Rum, landen wir im Geiste vermutlich direkt in den Zuckerrohrplantagen der Karibik. Weniger bekannt sein dürfte, dass der Grundstein für eine der weltweit bekanntesten Rumsorten ursprünglich in der spanischen Provinz Katalonien gelegt wurde.
Namensgebend für die mittlerweile größte private Familien-Spirituosenmarke der Welt, BACARDI, war Facundo Bacardí Massó, der 1814 im katalanischen Sitges geboren wurde. Dem Beispiel seiner Familie folgend, immigrierte er im Alter von 16 Jahren nach Kuba. Später heiratete er die wohlhabende Französin Amalia Moreau und er versuchte, auch wirtschaftlich erfolgreich zu sein, was ihm in den 1860er Jahren eindrücklich gelingen sollte, als er sich der Herstellung von Rum zuwandte. Rum galt zu jener Zeit als eher billiges Getränk von minderer Qualität. Das sollte sich durch die neu definierte Form der Herstellung Bacardí Massós ändern, der den Rum durch Holzkohle filtern und in weißen Eichenfässern reifen ließ – was in einem feinen und im ersten transparent-weißen Rum der Welt resultierte.

In Bacardí Massós Heimat Sitges finden Besucher mit der Casa Bacardi ein Rum-Museum, das die Entstehungsgeschichte der Marke BACARDI in Spanien und den komplexen Herstellungsprozess des Rums dokumentiert. Verkostungen sind in der gemütlichen Bar Lounge des Museums oder auf der Terrasse möglich. Gastronomen und Hobby-Barmixer können einen Kursus in der hauseigenen Barkeeperschule besuchen.

Das Casa Bacardi öffnet mittwochs bis sonntags, von 12 bis 14 Uhr sowie von 15 bis 20 Uhr. Führungen inklusive Rumverkostungen gibt es ab circa 15 Euro pro Person.
Weitere Informationen: https://www3.bacardi.com/casa-bacardi-sitges/

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Urs Huebscher ist seit vielen Jahren Chefredaktor und Head of des PRESTIGE Travel Magazin. Er reist seit mehr als zwanzig Jahren durch die ganze Welt und hat fast alle Ecken dieser Welt schon gesehen. Seine Reportagen sind in den Print-Ausgaben des PRESTIGE Travel und im Luxus-Magazin PRESTIGE sowie auf deren Online-Seiten zu lesen. Weiter ist er Mitglied der Vereinigung Swiss Travel Communicators, dem führenden Schweizer Netzwerk für Reisejournalismus.