Am 25. November 1923 wurde die historische Eisenbahn zwischen Locarno und Domodossola eingeweiht. Dieses wichtige Jubiläum wurde genau 100 Jahre nach der offiziellen Einweihung mit einer Festveranstaltung im Palacinema in Locarno zelebriert. Um das erste Jahrhundert der Bahn gebührend zu feiern, wurden im Laufe des Abends der Veranstaltungskalender und die Aktionen vorgestellt, die bis November 2024 stattfinden werden.
Es war der 25. November 1923: Zwei festlich geschmückte Züge brachen von ihren jeweiligen Bahnhöfen aus zu ihrer ersten offiziellen Fahrt auf 52 Kilometern nagelneuer Strecke durch das Centovalli und das Valle Vigezzo auf. Die Jungfernfahrt der Vigezzina-Centovalli-Bahn zwischen Locarno und Domodossola war der Startschuss für die Inbetriebnahme der grössten je in der Region gebauten Eisenbahn. Es war auch das Ende einer jahrzehntelangen Baustelle, die mit zahlreichen Schwierigkeiten verbunden war, sowie der Beginn einer hundertjährigen Geschichte der Standhaftigkeit und der Liebe zur Region – einer Geschichte, die den „kleinen Zug“, wie er auch genannt wird, zur beliebtesten Eisenbahn des Tessins und zu einer der meistgeschätzten der Welt gemacht hat.
Die Historie der Vigezzina-Centovalli-Bahn begann 1898, als der Bürgermeister von Locarno, Francesco Balli, beim Bundesrat ein Gesuch für den Bau einer Bahnstrecke einreichte. Diese sollte als Verbindung zwischen der Schweiz und Italien auf der Ost-West-Achse dienen und das Tessin im Idealfall näher an die Westschweiz heranführen, indem sie den Gotthard und den Simplon, die beiden Hauptachsen über die Alpen, verknüpfte. Auf italienischer Seite wurde das Vorhaben von Andrea Testore vorangetrieben, einem Lehrer, Literaten und Schriftsteller, der sich sehr für die Entwicklung des Vigezzo-Tals einsetzte. Der dritte „Vater“ der Vigezzina-Centovalli-Bahn war der Projektingenieur Giacomo Sutter. Ende 1912 begann der Bau. Ziel war es, die Arbeiten bis 1915 abzuschliessen. Die Wirklichkeit sah jedoch anders aus: Zunächst wurden die Arbeiten bis 1920 wegen des Konkurses der finanzierenden Bank, dann wegen des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs praktisch eingestellt. Im Jahr 1923 trafen sich die beiden Gleisbauteams in Santa Maria Maggiore – die Geburtsstunde einer Eisenbahn, die das Schicksal des Centovalli verändern sollte.
Die atemberaubenden Landschaftsszenerien jenseits des Fensters zogen – und ziehen noch immer – viele Touristen an. Dies trug dazu bei, die Vigezzina-Centovalli-Bahn vor jenem Schicksal zu bewahren, das die Valmaggina und (fast) alle anderen Tessiner Bahnen in den Jahren des Wirtschaftsbooms erlitten: die Stilllegung. Es ist kein Zufall, dass diese Eisenbahnstrecke heute zu den zehn schönsten der Welt gehört, die vom Reiseführer „Lonely Planet“ ausgewählt wurden. Es ist eine Reise, die sich zu allen Jahreszeiten geniessen lässt und bei der man bestaunen kann, wie sich die Stimmung mit den Farben der Natur verändert.
Peter Füglistaler: „Die Bahn? Sie ist unsere Zukunft“
Die Bedeutung von Visionen, der Geist der Zusammenarbeit und der Einfallsreichtum – dies bildete den roten Faden, der sich durch die verschiedenen Reden an der Festveranstaltung im Palacinema in Locarno zog. Unter den Rednern war auch Peter Füglistaler, Direktor des Bundesamtes für Verkehr (BAV), der in seiner Rede die Einzigartigkeit der Umstände hervorhob, die zur Entstehung der Eisenbahn führten: „Im Zentrum dieser Geschichte steht ein Abkommen, das 1918 zwischen der Schweiz und Italien geschlossen wurde, also zu einem Zeitpunkt, als Europa sich endlich anschickte, den Ersten Weltkrieg zu beenden. Statt sich zu trennen, bauten unsere beiden Länder Brücken, sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinne. “Der BAV-Direktor unterstrich die Bedeutung der Bahn und ihres Ausbaus auch in Randregionen: „Die umweltfreundliche Bahn, die gleichzeitig eine grosse Anzahl von Personen und Gütern transportieren kann, ist ein entscheidendes Element zur Förderung der Dekarbonisierung und zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit in unserem Land.“
Der Vigezzina-Centovalli ist ein Zug, ja. Aber sie ist auch und vor allem ein Verkehrsmittel, hinter dem sich die unglaubliche Geschichte von Visionen und Menschen verbirgt, voller geradezu märchenhafter Elemente. FART-Direktor Claudio Blotti betont: „In hundert Jahren haben sich auf den Waggons und entlang der Gleise die Geschichten und das Leben von Bauern, Hirten, Auswanderern, Schmugglern, Flüchtlingen und Pilgern verwoben, aber auch von Künstlern, Akrobaten, Schauspielern und internationalen Schriftstellern. Es geht hier um ein Verkehrsmittel, das zwei Weltkriege, Unwetter, Erdrutsche, Überschwemmungen und Finanzkrisen überstanden hat. Und das Ergebnis? Die Vigezzina-Centovalli-Bahn ist heute noch da. Hundert Jahre alt, aber lebendiger denn je. “
Ein Jahr der Feierlichkeiten
Im Laufe des Abends stellte der Präsident der FART, Paolo Caroni, den Veranstaltungskalender und die geplanten Aktivitäten vor, die bis Ende nächsten Jahres stattfinden werden. Neben der Gedenkbriefmarke (erhältlich in allen Filialen der Schweizerischen Post und am Schalter der FART) und dem Buch „100 Jahre Centovallina“wird ein weiterer Höhepunkt während des gesamten Jahres 2024 ein dem Jubiläum gewidmeter Ausstellungsraum im Verkehrshaus Luzern sein, dem meistbesuchten Museum der Schweiz.
Mit Spannung wird auch die Präsentation eines Modells einer Teilstrecke und des historischen Zuges
in der Swissminiatur in Melide am 25. März 2024 erwartet. Darauf folgt im Spätherbst die Vorstellung des Modells der neuen Stadler-Züge. Zahlreiche weitere Aktivitäten sind geplant. Sie können unter fartiamo.ch/100 abgerufen werden. Paolo Caroni: „Wir wollen dieses Jubiläum nutzen, um das Image unserer Bahn über verschiedene Kanäle zu fördern, von den traditionellen bis zu den digitalen. Die Veranstaltungen, die für die gesamte Bevölkerung zugänglich sind, sollen an die Verbundenheit aller Tessinerinnen und Tessiner und unserer Landsleute mit der Vigezzina-Centovalli-Bahn erinnern und diese stärken.“