Der Saimaa – Labyrinth aus 14.000 Inseln

Karsten-Thilo Raab Von Karsten-Thilo Raab
10 Min. Lesezeit

Eine der wohl spektakulärsten Seelandschaften Europas ist unumstritten der Saimaa in Finnland – ein Paradies für Naturliebhaber abseits der Massen.

„Wenn ich den See seh, brauch ich kein Meer mehr“, klingt fast schon etwas abgedroschen und doch passt es zum Saimaa-See im Osten von Finnland wie die Faust aufs Auge. Wobei die Bezeichnung „See“ eigentlich nicht ganz korrekt ist. Vielmehr stellt der Saimaa ein System von mehr als 120 miteinander verbundener Seen auf rund 4.370 Quadratkilometern Fläche dar. Allein die nackten Zahlen lassen vermuten, welche gigantische Wasserfläche sich hier befindet. Denn der Saimaa misst stolze 15.000 Kilometer Küstenlinie – mehr als Spanien! In dem gigantischen Areal liegen rund 14.000 Inseln. Viele davon unbewohnt. Das Jedermann-Recht erlaubt es allen, auf den Insel zu zelten, Beeren und Pilze zu sammeln oder zu fischen.

Saimaa aus der Vogelperspektive

Viel Gegend, aber ebenso viel Platz, um sich abseits der Massen in der Natur zu erholen. Endlose Weiten, die unzähligen Blautöne des Wassers, sattes Grün an den Ufern und klare Luft dominieren die nahezu menschenleere Seenlandschaft. Die Ufer und wenigen Straßen sind dicht bewaldet mit Nadelbäumen und Birken. Lediglich das Gezwitscher der Vögel, das Rauschen des Blätterwaldes und der Klang der sanften Wellen bilden die natürliche Geräuschkulisse. Fast unweigerlich zaubert dieses Natur-pur-Erlebnis einem ein breites Lächeln ins Gesicht. Kein Wunder, dass die Finnen als die glücklichsten Menschen der Erde gelten.

Abendstimmung auf dem Saimaa

Selbst an heißen Sommertagen knacken die Temperaturen nur selten die 25-Grad-Celsius-Marke. Perfekt für alle, die Trubel, Partystimmung und im Sommer der kontinentalen Hitze entfliehen wollen. „Coolcation“ heißt hier das Zauberwort für alle, die die schönste Zeit des Jahres in klimatisch gemäßigteren Gefilden verbringen möchten. Nicht minder attraktiv ist der Saimaa, wenn im Herbst das Laub bunt gefärbt oder die Region im Winter von einem dichten Schneeteppich überzogen ist. Große Teile der Seenlandschaft wandeln sich dann in Eisstraßen.

„Eine Besonderheit sind fraglos die Saimaa-Ringelrobben“, weiß Tanja Lajunen von Visit Savonlinna zu berichten. Und der sympathische Rotschopf, der sich nebenbei als Yoga-Lehrerin verdient, ergänzt, dass es von den vom Aussterben bedrohten grau-schwarzen Kolossen mit der dicken Speckschicht und den weißen Kringeln lediglich noch rund 480 Tiere gibt. Die meisten der bis zu 160 Zentimeter langen und bis zu 90 Kilogramm schweren Säugetiere mit den großen Kulleraugen tummeln sich im Linnansaari Nationalpark, der ebenfalls Teil des Saimaa ist.

Historische Dampfschiffe in Savonlinna

Tatsächlich sind die markanten Kegelrobben vor allem in den Abendstunden anzutreffen, wenn sie faul auf Felsvorsprüngen liegen und die letzten Sonnenstunden des Tages genießen. Aufmerksam beobachten die Tiere dabei die mit großem Sicherheitsabstand vorbeituckernden Boote. Immer bereit, ihren Liegeplatz fluchtartig zu verlassen und in den Fluten des Saimaas abzutauchen.

„Die Robben können bis zu 20 Minuten unter Wasser bleiben“, führt Tanja fort, während alle versuchen, aus der Ferne eine Schnappschuss der wohlgenährten Fischerjäger zu schießen. Um die Idylle perfekt zu machen, fehlt eigentlich nur noch ein Elch, der von Insel zu Insel schwimmt. Doch der majestätische König des Waldes lässt sich nicht blicken. Vielleicht  beobachtet er auch das Boot aus dem Dickicht heraus und wartet bis der schwimmende Störenfried sich verzogen hat.

Aurora Borealis in Saimaa

„Elche sind bei uns keine Seltenheit, aber sie sind überaus scheu“, räumt Tanja ein, dass es schon etwas Glück braucht, um den Riesen tatsächlich zu Gesicht zu bekommen. Noch seltener sind Bären anzutreffen, obschon Meister Petz rund um den Linnansaari Nationalpark durchaus heimisch ist. Quasi zum Ausgleich reicht Tanja den nach Natur pur und Tieren Dürstenden als Erfrischung ein lokales Bier mit Bären-Logo.

„Hölökyn Kölökyn“, lacht Tanja und stößt mit dem Rest der kleinen Crew an. Sofort schiebt sie hinterher, dass Prost auf Finnisch eigentlich „Kippis“ heißt, in der Region Savo, in der auch der Saimaa weiten teils liegt, sich jedoch stattdessen der kleine Reim etabliert habe.

Abendstimmung am Saimaa

Nächster Stopp ist vor den Toren der 3.600-Seelen-Gemeinde Punkaharju der Puruvesi-See. Dieser gilt dank fehlender Industrie und zahlreicher Quellen als der vermeintlich sauberste Teil des Saimaa und besitzt Trinkwasserqualität. Mit einem kleinen Motorboot und Kanus geht es auf die mit sandigem Untergrund gesegnete Petri-Insel auf dem Puruvesi. Auf dem unbewohnten Eiland duckt sich zwischen Bäumen, Moosen und Flechten, Pilzen und Blaubeeren ein weiterer See, der bis zu acht Meter tief und fischreich ist. Doch eigentlich gehen alle auf dem Puruvesi auf Fischfang. Denn hier sind vor allem die Maränen heimisch. Der bis zu 35 Zentimeter lange, überaus schmackhafte Lachsfisch gilt als Delikatesse in der Region.

„Der See ist nicht nur für Angler, sondern auch für Wassersportler ein einzigartiges Revier“, schwärmt Janne Hanninen, der in dritter Generation das Feriendorf Naaranlahti mit mehreren kleinen Hütten betreibt. Der 49-jährige ist ein echter Naturbursche und als solcher gerne barfuß unterwegs. „Das schärft die Sinne“, lacht der Lockenkopf und schwärmt vom Fischreichtum im Puruvesi. Gleichzeitig räumt er ein, dass die Maränen am besten schmecken, wenn sie fangfrisch auf den Grill kommen.

Sauna-Hütte am Puruvesi

Praktischerweise gibt es auf Petri einen Feuerplatz mit Grill und Sitzbänken. Wenige Meter Luftlinie entfernt lagert in ausreichender Menge trockenes Holz in einer frei zugänglichen Hütte. Dies darf von allen, die hier grillen wollen, kostenfrei genutzt werden.

„Ein wenig stressig hier“, lacht Janne, die Wellen seien fast schon ein bisschen zu laut. Passend dazu reicht er mit einem verschmitztem Lächeln ein lokales Bier mit dem amüsanten Namen „Run away from the rush“ (Entfliehe der Hektik). Und von Hektik ist auf Petri nichts zu spüren, während der Fisch genüsslich auf dem Grill zubereitet wird.

„Tagsüber gibt es übrigens keine Mücken, die attackieren“, entkräftet Janne ein gängiges Klischee, weiß aber auch, dass sich nach Einbruch der Dunkelheit insbesondere auf den Inseln die Situation abrupt ändern kann.

Olavinlinna Festung in Savonlinna

„Dann ist es eh Zeit für die Sauna“, ergänzt Tanja, wohl wissend, dass es in Finnland mehr Saunen als Einwohner gibt. Tatsächlich ist Saunieren so etwas wie Volkssport – und deutlich anders als in weiten Teilen Westeuropas. Man unterhält sich, man handelt Deals aus und viele braten gleichzeitig Würstchen in der Sauna oder gönnen sich beim Aufguss ein Bierchen. Spätestens dann ist jedem klar, warum die Finnen als die glücklichsten Menschen der Welt gelten. Hölökyn Kölökyn!

Informationen: www.visitsaimaa.fi, www.visitfinland.com

Anreise: Die Region liegt rund 330 Kilometer nordöstlich von Helsinki. Mit dem Zug (www.vr.fi) oder Bus (www.perille.fi) muss jeweils rund vier Stunden Fahrzeit eingerechnet werden. In Savonlinna gibt es einen kleinen Flughafen, der von Helsinki aus mit Propellermaschinen angeflogen wird. In den Sommermonaten verkehren hier vereinzelt Maschine von Discover Airlines (www.discover-airlines.com/de) ab und nach Frankfurt.

Lohnenswert: Zu den Highlights der Region zählt das 32.000 Einwohner zählende Städtchen Savonlinna mit traditionellen Holzhäusern und der mitten im Wasser thronenden Olavinlinna Festung, in der jährlich eines der bedeutendsten Opernfestivals Skandinaviens steigt. Weitere Informationen unter www.visitsavonlinna.fi/de/.

Waldmuseum: Finish Forest Museum Lusto, Lustontie 1, 58450 Punkaharju, Telefon 00358 15 345 100, www.lusto.fi. Das Finnische Waldmuseum Lusto (der Name bedeutet Baumringe) in Punkaharju widmet sich auf 6.000 Quadratmetern multimedial dem Thema Wald.

Essen & Trinken: Fast schon ein Muss sind die verschiedenen Fischgerichte, insbesondere der Saimaa-Lachs und die gebratenen oder geräucherten Maränen. Traditionelle finnische Gerichte wie Karjalanpiirakka (Piroggen) und Kalakukko (Fischpastete) sind ebenfalls eine Versuchung wert. Zu den flüssigen Spezialitäten gehören Salmiakkikossu, ein Lakritzschnaps, sowie der Beerenwein aus Stachelbeeren und weißen Johannisbeeren aus dem Kloster Valamo.

Restaurants: Hawanna, Linnankatu 12, 57130 Savonlinna, Finnland, Telefon 00358 44 354 9640, www.hawanna.fi

Ravintola Kripa Savonlinna, Karjalantie 11, 57200 Savonlinna, Finnland, Telefon 00358 503 309 101, www.ravintolakripa.fi/savonlinna/

Kiimi, Kirkkolahdenkatu 10, 57100, Savonlinna, Finnland, www.kiimi.fi

Übernachten: Nature Hotel & Spa Resort Järvisydän, Porosalmentie 313, 58900 Rantasalmi, Finnland, Tel. 00358 600 413 160, www.jarvisydan.com/en. Seit 1658 bietet die Familie Heiskanen Reisenden am nördlichen Teil des Saimaa-Sees hochwertige Unterkünfte – zum Teil mit eigener Sauna an.

Naaranlahti, Kesälahdentie 1614, 58520 Hiukkajoki, Finnland, Telefon 00358 440 473123, www.naaranlahti.com. Der Familienbetrieb hält insgesamt 14 Schlafplätze in verschiedenen, voll ausgestatteten Hütten vor.

Bilder: Karsten-Thilo Raab

Teile diesen Artikel
Karsten-Thilo Raab ist freier Reise-Journalist, Autor und Fotograf für eine Vielzahl von Zeitungen, Magazinen und ist immer wieder auch für uns tätig. Zudem hat er als Autor bislang mehr als 120 Bücher verfasst bzw. an diesen mitgewirkt.