Bayerische Gartenschau auf der Lindauer Insel

© Johann Hinrichs | Gartenschau Lindau
Urs Huebscher Von Urs Huebscher
6 Min. Lesezeit

Vom „Bergfest“ spricht man gern, wenn man die Hälfte hinter sich gebracht hat. Vor allem dann, wenn man froh ist, so viel schon geschafft zu haben. Für die Bayerische Gartenschau in Lindau also eine ganz schlechte Metapher. Denn die pandemiebedingten Beschränkungen werden weniger und der Sommer schickt sich an, den eher-so-mittel-Frühling vergessen zu machen. Also besser: The Best is yet to come? Wir haben uns auf der Insel umgeschaut – und wären am liebsten gleich dortgeblieben.

©Johann Hinrichs | Gartenschau Lindau

„Das war schon heftig. Vier Meter hoch kamen die Wellen hier an der Ufermauer an. Da hatte das Glas vom Gewächshaus keine Chance.“ Jürgen Widmer ist Pressesprecher der Stadt Lindau und lebt derzeit praktisch auf dem Gelände, um sich um Anfragen aller Art zu kümmern. Er erzählt vom Sturm, der Lindau und die Gartenschau nur drei Tage zuvor „erwischt“ hatte und bei dem ein bisschen was zu Bruch gegangen war. Es ist eben nicht irgendeine Gartenschau hier in unmittelbarer Ufernähe. Gerät der Bodensee bei Sturm in Wallung, bekommt man die Kraft der Natur eben auch zu spüren.

Die Wolken verabschieden sich

Wobei man sich an diesem Vormittag kaum vorstellen kann, dass hier einmal nicht die Sonne lacht. Die Veranstalter, Gärtnerinnen und Mitarbeitenden haben sich längst eingegroovt auf ihrer Gartenschau, wie man so schön sagt. Die Launen von Mutter Natur, sie gehören halt dazu, wenn man draussen zugange ist. Die Menschen, die die Gartenschau Tag für Tag am Laufen halten, strahlen mit der Morgensonne um die Wette. Vielleicht hoffen oder spüren sie, dass auf einen – seien wir ehrlich – eher mittelmässigen Frühling ein langer, traumhafter Sommer folgt?

Heute steigen die Temperaturen jedenfalls schon früh. Die letzten Wolken verabschieden sich, die Besucherinnen und Besucher legen die Regenkleidung – sicher ist sicher – dankbar ab. Man bekommt selbst so eine Ahnung: Die schönste Zeit am Lindauer Gartenstrand, sie steht uns jetzt erst bevor. Es wäre uns allen zu wünschen, nach den Einschränkungen der letzten Zeit.

©Johann Hinrichs | Gartenschau Lindau

Eine ganz andere Stimmung

„Natürlich stehen in den nächsten Wochen viele Highlights auf dem Veranstaltungsprogramm“, so Jürgen Widmer. Aber auch die Vegetation schreibt im Laufe der Gartenschau ihre eigenen Geschichten. „Davon hat Lindau schon immer viele zu erzählen“, ergänzt er und verweist auf eine der letzten gesunden Ulmen in ganz Süddeutschland, in deren Schatten wir gerade stehen. Die Natur ist immer im Wandel und so auch die Gartenschau: Pflanzen blühen und vergehen zu unterschiedlichen Zeiten, Obst und Gemüse reifen den ganzen Sommer lang und ein sonniger Nachmittag, den man Ende Juni hier erlebt, ist ein anderer, als er es Mitte August sein wird.

„Viele zieht es auch deshalb regelmässig hierher“, sagt Widmer nicht ohne Stolz. „Ein Drittel unserer Gäste sind Dauerkartenbesitzer.“ Und die wissen auch warum: „Die Einheimischen verbringen gerne die Abende hier. Die Gartenschau schafft eine andere Stimmung. Und sie hat viel ermöglicht, was bleiben wird.“ Das beste Beispiel ist die grüne Wiese, an der wir in diesem Moment gerade vorbeischlendern. Kinder spielen und toben. Der Kleinsten fällt die Kugel Eis aus der Waffel. Es gibt Tränen, aber Mama tröstet schnell. Vielleicht gibt’s ausnahmsweise ja noch eine zweite? Wir schmunzeln angesichts der Szene. „Und vor der Gartenschau? Da gab‘s hier einen Parkplatz!“

Kultur und Kulinarik. Und Löcher in der Luft.

Jürgen Widmer ist die Freude anzumerken darüber, dass die Gartenschau nun so richtig in Fahrt kommt. Am neuen Kiosk – er war den Menschen in Lindau schon lange ein Herzenswunsch – freut man sich auf die Kabarettveranstaltung am Abend. Wieder können ein paar Beschränkungen zurückgenommen werden: „Für heute werden wir hier noch etwas erweitern können, dann haben 100 Leute mehr Platz.“ Dass der Andrang entsprechend sein wird, kann man sich gut vorstellen. Schon jetzt ist der Bereich am Westufer der Insel gut besucht.

Es geht auf die Mittagszeit zu und unser Termin dem Ende entgegen. An den Gastro-Ständen steigt die Geschäftigkeit. Es brutzelt und duftet, während sich mehr und mehr Gäste mit ihrem Hunger-Gefühl auseinandersetzen. Wir würden nur zu gerne kosten. Ist schliesslich alles regionale Gastronomie, wie Widmer zurecht betont. Leckere Kässpätzla oder andere Spezialitäten im Mittagssonnenschein geniessen? Und sich anschliessend auf die grüne Wiese legen und Löcher in die Luft schauen, während von der Bühne nebenan Live-Musik herüberweht?

Es soll nicht sein, schliesslich sind wir zum Arbeiten hier. Für die Gäste aber, denen wir heute ein bisschen beim Geniessen zuschauen durften, ist die Gartenschau das, was sie sein soll: das reinste Vergnügen. Wer sich davon überzeugen mag, hat immerhin noch bis 10. Oktober Zeit dazu. Wir jedenfalls legen uns jetzt fest: Nix „Bergfest“. The Best is definitely yet to come.

www.lindau-tourismus.de

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Urs Huebscher ist seit vielen Jahren Chefredaktor und Head of des PRESTIGE Travel Magazin. Er reist seit mehr als zwanzig Jahren durch die ganze Welt und hat fast alle Ecken dieser Welt schon gesehen. Seine Reportagen sind in den Print-Ausgaben des PRESTIGE Travel und im Luxus-Magazin PRESTIGE sowie auf deren Online-Seiten zu lesen. Weiter ist er Mitglied der Vereinigung Swiss Travel Communicators, dem führenden Schweizer Netzwerk für Reisejournalismus.