Auf Gartenschau – entlang der schönsten grünen Oasen Japans

Kaiserliche Villa Katsura: eines der schönsten Beispiele japanischer Architektur und Landschaftsgestaltung.
Urs Huebscher Von Urs Huebscher
8 Min. Lesezeit

Die königlichen Gärten von Versailles, die Villa D’Este bei Tivoli, die Butchart Gardens auf Vancouver Island, der Botanische Garten von Brooklyn: Gärten haben eine magische Anziehungskraft – und das Reisen auf der Suche nach perfekt inszenierten Gartenwelten ist zunehmend im Trend. Japanische Gärten können hier spielend mithalten, sind sie doch das beste Beispiel für die hohe Kunst, natürliche Authentizität und Gestaltungskraft aus Menschenhand in perfekten Einklang zu bringen. Zugleich sind die japanischen Gärten Oasen gelebter Achtsamkeit und passen zur Philosophie von Slow Travel. Das grüne Japan lässt sich im Herbst besonders bunt entdecken. Zur Einstimmung auf eine Fernreise lohnt sich auch ein Abstecher in Schweizer Gefilde.

In Japan sind Gärten nicht bloss funktionale Grünanlagen, sondern viel mehr – sie sind ein kulturelles Statement und eine Sehenswürdigkeit zugleich. Japanische Gärten haben eine über tausendjährige Geschichte und sind ihrer Einzigartigkeit wegen ein guter Grund, in beschaulichem Tempo durch das Land der aufgehenden Sonne zu reisen. Der japanischen Gartentradition liegt die Philosophie der harmonischen Beziehung zwischen Mensch und Natur zu Grunde. Im Zuge der Jahrtausende sind verschiedene Arten von Gärtentypen entstanden. Trotz ihrer Unterschiede teilen sie eine gemeinsame Eigenschaft: Jeder Garten wird nach der «Shakkei»-Methode angelegt. Übersetzt bedeutet «Shakkei» soviel wie geliehene Landschaft. Der Bau solcher Kunstwerke nimmt viel Zeit in Anspruch, denn jedes einzelne Element wird mit grösster Sorgfalt – wie ein Pinselstrich auf einem Gemälde – an der gewünschten Stelle angebracht. So entsteht ein vollständiges, in sich harmonisches Landschaftsabbild. Wer eine Reise durch das Gartenparadies Japan tut, der kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Wichtig zu wissen: Nicht alle Gärten sind frei zugänglich, teilweise lassen sich diese natürlichen Kunstwerke nur aus der Distanz betrachten – was deren Reiz letztlich nur noch erhöht.

Japanische Steingärten: ausgezeichnetes Beispiel in Shimane
Der Inbegriff des japanischen Gartens ist der Zengarten. Typischerweise finden sich hier Kieselsteine, die metaphorisch das Meer widerspiegeln, Moos-Elemente stehen symbolisch für Landflächen, und grössere Steine verkörpern die Berge. Meist darf ein solcher Trocken- oder Steingarten nicht betreten werden. Der Garten wird so zu einem natürlichen Gemälde, was an den Besuch eines Kunstmuseums erinnert. Genau genommen stammt diese Art von Gartenbetrachtung aus dem Zen-Buddhismus und ist Teil der Meditation der Mönche. Nicht selten begegnet man den Würdenträgern beim behutsamen Rechen der Steine. Zen-Gärten sind denn auch meistens in der Nähe von Tempeln oder in Klöstern angelegt worden. 
Ein Prachtsbeispiel für einen Zengarten abseits der touristischen Trampelpfade ist um das Adachi Kunstmuseum in der Präfektur Shimane, rund 3.5 Stunden von Osaka und Hiroshima entfernt, zu finden. Der Garten, der nach seinem Gründer Adachi Zenko benannt ist, umfasst phänomenale 165’000 Quadratmeter und ist in verschiedene Bereiche mit Trocken-, Stein- oder Moosgarten unterteilt. Das Adachi Art Museum und sein Garten sind im Ranking des japanischen Fachmagazins «Sukiya Living Magazine – The Journal of Japanese Gardening» bereits zum 20. Mal in Folge unter über 1000 Gärten als Nummer 1 ausgezeichnet worden, zudem hat der Green Guide Michelin 2023 dem Meisterwerk drei Sterne verliehen.

Der japanische Teichgarten Ritsurin Koen bei der Stadt Takamatsu kann auch vom traditionellen Wasen-Boot aus betrachtet werden. © JNTO

Der Teichgarten: Eintauchen in den 400-jährigen Ritsurin Koen
Wer sich dem Element Wasser verbunden fühlt, wird sich in japanischen Teichgärten zu Hause fühlen. Im Gegensatz zu den meisten Trocken- oder Steingärten kann der traditionelle Teichgarten zu Fuss auf Spazierwegen erkundet werden. Die Pfade führen durch sattgrün leuchtende Wiesen, welche wiederum von kleineren Stein-, Kies- oder Sandflächen umrahmt sind, die typische Landschaftsformationen symbolisieren. Durch gezielt platzierte Bäume und Sträucher verändert sich die Perspektive buchstäblich laufend. Das grosse Finale bildet der Gang zum klaren Teich im Herzen dieses Gartentyps. Das klare Teichwasser ist Spiegel für die idealisierte Landschaft und birgt gleichzeitig das schwimmende Geheimnis: Koi-Fische. Diese Karpfenart ist ein essenzieller Bestandteil jedes Teichgartens. Der sagenumwobene Fisch soll einst einen Wasserfall bezwungen haben und als Drache in die Lüfte gestiegen sein. 
Ein Vorzeigeobjekt ist der Ritsurin Koen in Takamatsu auf der Insel Shikoku, von Expert:innen wird er als einer der drei schönsten Gärten im Land der aufgehenden Sonne bezeichnet. 400 Jahre alt ist diese weitläufige Anlage, die aus der Edo-Periode stammt und mit ihren 75 Hektaren als grösster Wandelgarten Japans gilt. Er umfasst sechs Teiche und dreizehn hügelige Landschaftsbilder. Besonders frühmorgens lohnt sich ein Besuch, dann hängen sanfte Nebel über den Teichen, und es herrscht eine mystische Stimmung, die auf einer geführten Tour im traditionellen Wasen-Holzboot unmittelbar spürbar wird. Jährlich im November findet im Ritsurin Koen eine Lichtinszenierung statt. Besucher:innen können dabei in einigen der schönsten Landschaften des Parks, «Kikugetsu-Tei» oder dem Momiji-Herbstblatttunnel «Fuugan», die beleuchteten, goldenen Herbstblätter bewundern. Zusätzlich finden währenddessen verschiedene Events statt, wie z.B. abendliche Bootsfahrten oder musikalische Darbietungen.

Der Moosgarten: grünes Wunder auf Anmeldung 
Moos wird in Japan in fast jedem Garten als Gestaltungselement verwendet. Umgekehrt betrachtet: Sind also alle japanischen Gärten auch Moosgärten? Dem ist nicht so. Im Gegensatz zu den anderen Gärten finden sich im typischen japanischen Moosgarten wenig bis gar keine Stein- und Wasserelemente. Dafür überzieht ein Moosteppich meist die gesamte Gartenfläche. Einer der bekanntesten und sehenswertesten Moosgärten findet sich im Saihoji-Tempel in Kyoto. Der Tempelgarten beherbergt über 120 verschiedene Moosarten. Ein Besuch des UNESCO-Weltkulturerbes ist ohne Voranmeldung nicht möglich, bislang ging dies nur brieflich. Ab November 2023 sind auch Online-Reservationen möglich. Der Besuch lohnt sich mehrfach, denn ein Eintritt eröffnet auch die Möglichkeit, sich mit dem Pinsel im Kopieren traditioneller buddhistischer Texte zu erproben. 

Weiterführende Links zu japanischen Gärten:
Japanische Gärten: https://www.japan.travel/de/de/story/japanische-gaerten/
Adachi Museum of Art: https://www.japan.travel/de/spot/934/
Ritsurin Koen:[%20https%3A/www.japan.travel/de/spot/833/%0d] https://www.japan.travel/de/spot/833/
Saihoji-Tempel: https://www.japan.travel/de/spot/1134/

Die Top 5 in Sachen japanischer Garten-Architektur 
(laut Rating des «Sukiya Living Magazine – Journal of Japanese Gardening», Ausgabe 2022)
1. Adachi Museum of Art (Shimane)
2. Katsura Rikyu (Kyoto)
3. Yamamoto-tei (Tokyo)
4. Minami-kan Restaurant (Shimane)
5. Yohkoh-kan (Fukui)

Zur Einstimmung: Japanische Gärten in der Schweiz
Japanische Gärten haben längst ihren Weg in die Schweiz gefunden. Um sich auf eine Asienreise einzustimmen und ein tieferes Verständnis für deren Philosophie zu entwickeln, lohnt sich ein Abstecher in die schönsten japanischen Oasen in hiesigen Gefilden:

  • Japanischer Garten in Interlaken: Ein Abbild des Berner Oberlands und Geschenk der japanischen Stadt Ōtsu. Besonders im Frühling in der Blütenzeit ist der Garten besonders sehenswert.
  • Zen-Garten in Aigle: Der grösste Garten seiner Art in der Schweiz. Er lädt ein, in die vielfältige asiatische Kultur einzutauchen.
  • Japanischer Garten Nendaz, Wallis: Ein japanischer Garten der besonderen Art, die Gletschermoräne sieht inszeniert aus, ist aber natürlich entstanden.
  • Zen-Garten in Ascona: Echte japanische Teekultur erlebt man bei der Führung durch den Teegarten und bei einer Einführung in die japanische Teekultur.

Titelbild: Kaiserliche Villa Katsura: eines der schönsten Beispiele japanischer Architektur und Landschaftsgestaltung. © Kaito Kinjo

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Urs Huebscher ist seit vielen Jahren Chefredaktor und Head of des PRESTIGE Travel Magazin. Er reist seit mehr als zwanzig Jahren durch die ganze Welt und hat fast alle Ecken dieser Welt schon gesehen. Seine Reportagen sind in den Print-Ausgaben des PRESTIGE Travel und im Luxus-Magazin PRESTIGE sowie auf deren Online-Seiten zu lesen. Weiter ist er Mitglied der Vereinigung Swiss Travel Communicators, dem führenden Schweizer Netzwerk für Reisejournalismus.