Grounding der rumänischen Blue Air 

Urs Huebscher Von Urs Huebscher
7 Min. Lesezeit

Nachdem ihre Konten blockiert wurden, kann die grösste rumänische Fluggesellschaft Blue Air ihren Betrieb nicht mehr finanzieren. Alle Flüge wurden eingestellt. Rund 3000 Passagiere sitzen im Ausland fest. Zwischen dem 6. und 11. September waren 401 Flüge geplant und rund 54 161 Passagiere sind vom Grounding betroffen.

«Verlängern Sie Ihren Sommer: 25 Prozent Rabatt auf alle Flüge!» Noch vor ein paar Tagen warb Blue Air so um Fluggäste. Die Fluggesellschaft versuchte mit der Aktion möglichst schnell viel Geld in ihre Kassen zu spülen. Denn sie hat hohe Schulden. Dies gipfelte diese Woche darin, dass das Umweltministerium alle Konten von Blue Air einfrieren liess. Die Fluggesellschaft schuldet dem nationalen Umweltfonds rund 470.000 Euro für die Abgabe von Treibhausgas-Zertifikaten. Die Airline befindet sich schon seit langem in einem Gläubigerschutzverfahren, weshalb der Entscheid im Einklang mit dem Gesetz erfolgte.

Blue Air, riesige Verluste

Die Fluggesellschaft war 2004 gegründet worden und steuerte zuletzt mit 17 Boeing 737 insgesamt 75 Ziele in 21 Ländern an, darunter London, München, Stuttgart, Hamburg, Düsseldorf. Am Dienstag gab die Gesellschaft bekannt, alle Flüge bis auf weiteres einzustellen. Man sei nicht mehr in der Lage, die laufenden Kosten für den Betrieb aufzubringen. Das Grounding gilt vorerst bis zum 12. September. Blue Air befindet sich in einer schwierigen finanziellen Situation, nachdem das Unternehmen 2020 mit Verlusten von mehr als 82 Mio. Euro und einer um fast 30 % auf 806 gesunkenen Mitarbeiterzahl abgeschlossen hat. Im August 2020 genehmigte die Europäische Kommission eine Kreditgarantie von bis zu etwa 62 Millionen Euro zugunsten von Blue Air, um das Unternehmen für Verluste aufgrund der Coronavirus-Pandemie zu entschädigen und der Fluggesellschaft dringende Liquiditätsunterstützung zu leisten. Kürzlich wurde das Unternehmen weiter vom rumänischen Verbraucherschutz mit einer Geldstrafe von 2 Millionen Euro belegt, weil der Betreiber zwischen dem 30.04.2021 und dem 30.04.2022 fast zweihunderttausend Reservierungen stornierte. Blue Air wirft der Verbraucherschutzbehörde vor, dass diese Strafe zur Zerstörung des Vertrauens der Passagiere in Blue Air geführt und Verluste von mehr als 5 Millionen Euro durch die Reduzierung des Ticketverkaufsvolumens verursacht hätten.

Weiter habe diese öffentliche Strafe zu einem erhöhten Druck von Schlüssellieferanten geführt. Die für den täglichen Betrieb erforderlichen Beträge musste man im Voraus bezahlen und Gespräche in London zwischen den Aktionären von Blue Air und zwei großen Investmentfirmen, die daran interessiert waren, Aktionäre von Blue Air zu werden, wurden blockiert.

Die totalen Schulden von Blue Air belaufen sich aktuell auf ca. 230.000.000 EUR, was in einem normalen Betriebsjahr ca. 50 % der erzielten Gesamteinnahmen entspricht. Darunter auch erhebliche Schulden gegenüber dem Flughafen Bukarest (Bucharest National Airport Company). Diese hätten sich in den letzten Jahren angesammelt und seien signifikant, so ein Flughafensprecher.

Rückführungsflüge durch Tarom

Der vom rumänischen Ministerpräsidenten einberufene Krisenstab ordnete als vorrangige Massnahme an, rumänische Staatsbürger, die sich auf Flughäfen ausserhalb der Grenzen aufhalten, zurück ins Land zu bringen. Flugzeuge der staatlichen TAROM werden darauf vorbereitet, die notwendigen Rückführungs-Flüge durchzuführen um die ca. 3000 im Ausland festsitzenden Passagiere zurück ins Land zu holen. Die rumänische Regierung hat dafür rund 5 Millionen Lei an TAROM überwiesen, um die im Ausland gestrandeten Bürger nach Hause zu bringen. Die Regierung will gegen Blue Air vorgehen, um den Geldbetrag, aber auch die anderen Rückstände einzufordern.

Blue Air zum Dritten wird kommen

Das interessante an der ganzen Geschichte ist, dass Blue Air kürzlich die Unterzeichnung einer Codeshare-Vereinbarung mit der im Juli neu gegründeten Air Connect bekannt gab. Im Grunde gewährt Blue Air einer neu gegründeten Fluggesellschaft (dahinter steckt ein ehemaliger Direktor von Blue Air, sowie ein Aktionär der während der kommunistischen Zeit Leiter der Aussenbüros der staatlichen Tarom war) das Recht, ihre Strecken zu nutzen. Basierend auf der abgeschlossenen Absichtserklärung werden die beiden Fluggesellschaften ab dem 12. September 2022 eine erweiterte Codeshare-Partnerschaft mit dem Ziel starten, die Kosten zu optimieren, die Konnektivität zu verbessern und ihre Kräfte zu bündeln, um zusätzliche Synergien auf dem europäischen Regionalmarkt ab Bukarest zu erkunden. Im Rahmen der Vereinbarung wird Blue Air den Betrieb ausgewählter Inlands- und Auslandsdienste in der EU an Air Connect übertragen.

Kommentar:

Es wird sich zeigen, was am kommenden Montag 12. September passieren wird. Oder ist das einfach der Markaustritt von Blue Air? Die Konten von Blue Air wurden jedenfalls heute am 8. September 2022 entsperrt und die Schulden sollen in Raten bezahlt werden. Blue Air hat seit Jahren Schulden angehäuft und nichts unternommen. Seit Monaten wusste Blue Air, dass sie Zahlungsrückstände und Pfändungsrisiken auf ihren Konten hat und tat nichts dagegen. Blue Air stellte den Antrag auf Stundung erst nach dem Beginn des Grounding Skandals. 
In der offiziellen Pressemitteilung von Blue Air werden die staatlichen Institutionen für das Grounding verantwortlich gemacht. Der gute Wille des Unternehmens Blue Air wird sich jetzt zeigen. Die Konten sind entsperrt, was nach der von Blue Air angewandten Logik bedeutet, dass die Flüge wieder aufgenommen werden müssten. Wenn die Flüge nicht wieder aufgenommen werden, bedeutet dies, dass alles vorsätzlich war. Wenn sie die seit Juni ausstehenden Gehälter der Angestellten nicht bezahlen, bedeutet das, dass alles ein riesiges Chaos ist. Wenn sie das Geld nicht an die Kunden zurückgeben, die bereits ihre Tickets bezahlt haben, bedeutet dies, dass alles ein Betrug war. Was zum Teufel hat Blue Air mit 62 Millionen Euro als Geschenk vom Staat und mit vielen anderen zig Millionen „Vorauszahlungen“ der Kunden gemacht?! Einige Quellen innerhalb des Unternehmens Blue Air sagen, dass noch etwas anderes vorbereitet wird, die Versetzung von Mitarbeitern (insbesondere der Piloten) zu einem anderen Unternehmen. Die übrigens vor ca. 10 Tagen kaum 300 Euro auf ihren Konten erhalten haben, was einen Teil der ausstehenden Gehälter vom Juni betrifft. Ich bin überzeugt, dass der Zirkus weitergehen wird. Und ich denke, dass nur die Staatsanwälte überprüfen können, was wirklich in dieser Firma und dem Blue Air 3-Versuch mit Air Connect vor sich geht.

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Urs Huebscher ist seit vielen Jahren Chefredaktor und Head of des PRESTIGE Travel Magazin. Er reist seit mehr als zwanzig Jahren durch die ganze Welt und hat fast alle Ecken dieser Welt schon gesehen. Seine Reportagen sind in den Print-Ausgaben des PRESTIGE Travel und im Luxus-Magazin PRESTIGE sowie auf deren Online-Seiten zu lesen. Weiter ist er Mitglied der Vereinigung Swiss Travel Communicators, dem führenden Schweizer Netzwerk für Reisejournalismus.