Zwei Berner Brüder, zwei Afrikanische Startups, tausend Lebensgrundlagen

Urs Huebscher Von Urs Huebscher
4 Min. Lesezeit

Wie zwei Berner Brüder mit ihren beiden Unternehmen im verarmten Mosambik und Tansania die Lebenssituation von tausend lokalen Familien nachhaltig verbessern.

Von Bern ins Hinterland von Ostafrika – die Brüder Jonathan und Ueli Litscher machen es sich mit ihren Startup-Projekten gewiss nicht einfach. Aber sie schaffen Chancen für Menschen, die sonst kaum welche haben. Ganz unabhängig voneinander bauen sie seit Jahren ihre Projekte auf: Ueli mit WomenCraft in Tansania und Jonathan mit We Are Nyanja in Mosambik.

Jonathans Karriere bei einer Grossbank in London war vorgespurt. Aber 2013 schmiss er mit 28 Jahren alles hin und flog per Einwegticket nach Mosambik. Dort gründete er das Startup We Are Nyanja. Das Nyanja-Volk hat einen Reichtum an kostbaren Mangos, aber die meisten Früchte verrotteten unter den Bäumen. Nun hat Jonathan mit dem Team vor Ort eine Fabrik aufgebaut, wo sie die Bio-Mangos
trocknen. Die gedörrten Früchte exportieren sie in die Schweiz. So haben heute schon mehrere hundert Familien ein Grundeinkommen.

Nach seinem Masterstudium in Entwicklungszusammenarbeit packte auch Ueli seine Koffer. Tausend Kilometer nördlich von Mosambik, im Nordwesten von Tansania, hatte er das traditionelle Flechthandwerk der lokalen Frauen entdeckt. In der von Konflikt gezeichneten Region haben
Flechterinnen keinen Marktzugang und kein gesichertes Einkommen; viele leben in Flüchtlingslagern. Ueli setzte sich zum Ziel, ihre grossartigen Produkte in die Welt hinaus zu bringen. Heute vertreibt
WomenCraft Produkte von über 600 Handwerkerinnen von den USA bis nach Tokio und auch in der Schweiz.

Die Gebrüder Litscher scheinen ein Modell gefunden zu haben, Menschen in den abgelegensten Regionen von ihren eigenen Ressourcen und Traditionen nachhaltig ein besseres Leben zu ermöglichen. Zentral ist dabei der persönliche Bezug zu ihren Produzentinnen. Auf jedem Produkt von WomenCraft ist genau angegeben, wie viele Stunden die Flechterin daran gearbeitet hat. Nyanja würdigt auf den Mango-Päckli die Bäuerinnen und übermittelt ihnen sogar Selfie-Grüsse ihrer Kunden in der Schweiz. «Diese menschlichen Geschichten begeistern unsere Fans, das ist unsere Chance im Markt,» so die Brüder.

Die Covid-Pandemie war ein harter Schlag für beide. Auf einmal konnten sie nicht mehr zu ihren Projekten reisen und Logistikketten brachen zusammen. Die letztjährige Mangoproduktion musste abgesagt werden und die Tansanischen Handwerkerinnen konnten sich nicht mehr zum Flechten treffen. Zudem brach der wichtigste Verkaufszweig weg: «wir gewinnen vor allem an Märkten neue Kunden, und plötzlich war alles abgesagt,» so Jonathan. Aber auch darin gab es eine Chance, wie Ueli erklärt: «Wir haben beide stark in unseren Onlineverkauf investiert und stehen dadurch besser da als vor der Krise.»

Wie aber kommen die beiden überhaupt zu derart exotischen Unterfangen? Sie sind sich einig: «unsere wohl grösste Inspiration ist unsere Mutter Maya.» Diese machte sich 2006 auf in den abgelegenen Norden von Mosambik, um am Niassa-See ihr Projekt zu gründen: die Öko-Lodge Mbuna Bay. Im Dorf Nkholongue gab es weder eine Strasse noch Strom oder Handyempfang. Aber mit Hilfe von Familie und Freunden baute Maya über die Jahre nicht nur die Lodge, sondern auch eine neue Schule und einen
Krankenposten auf. Jonathan und Ueli waren von Anfang an dabei und die Erfahrung scheint tatsächlich Spuren hinterlassen zu haben.

www.nyanja.ch, www.womencraft.ch

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Urs Huebscher ist seit vielen Jahren Chefredaktor und Head of des PRESTIGE Travel Magazin. Er reist seit mehr als zwanzig Jahren durch die ganze Welt und hat fast alle Ecken dieser Welt schon gesehen. Seine Reportagen sind in den Print-Ausgaben des PRESTIGE Travel und im Luxus-Magazin PRESTIGE sowie auf deren Online-Seiten zu lesen. Weiter ist er Mitglied der Vereinigung Swiss Travel Communicators, dem führenden Schweizer Netzwerk für Reisejournalismus.